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Lesereise Mallorca

Lesereise Mallorca

Titel: Lesereise Mallorca
Autoren: Helge Sobik
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Strohsonnenschirm. Mit einem Sommerlächeln auf den Lippen stellt er sich kurz vor, wünscht einen schönen Tag, freut sich mit den Fremden zusammen über die Sonne und kommt auf den Punkt: dass man die Schirme mit den Liegen mieten könne. Dass sie seinem Chef Francisco gehörten. Dass der die Konzession für diesen Strandabschnitt von der Gemeinde Campos erworben habe. Dass das teuer sei und er auch nicht wisse, wie viel genau der Chef dafür berappen müsse. Und dass ein Schirm mit zwei Liegen pauschal fünfzehn Euro am Tag koste, er auch herausgeben und gerne in ein paar Minuten nochmal wieder zum Kassieren vorbeikommen könne. Die meisten zahlen gleich. Die anderen haben es sich dann oft zwei Meter weiter im Sand bequem gemacht – ohne Schirm, ohne Liege, nur auf ihrem Handtuch. Und manchmal wechseln sie bald darauf wieder auf die Liegen zurück, kaum dass Ramón halbwegs außer Sichtweite ist. Der nimmt es mit einem Lächeln. Und bleibt hartnäckig: »Im Winter spiele ich in Kneipen Gitarre. Jetzt im Sommer bin ich an jedem Tag genau dort, wo andere ihre Ferien verbringen. Also warum sich ärgern?« Warum er hier nicht ab und zu Musik mache? »Leider zu viel Stress, wir haben vierhundert Liegen, zweihundert Schirme.« Was sein Traumjob wäre? »Irgendwas mit Gitarre am Strand. Am besten hier in Es Trenc.« Er fährt sich mit der rechten Hand durch den Bart – und geht kassieren.
    Sein Chef Francisco Pizá, gerade um die dreißig, schickt sich an, neuer König dieses Strandes zu werden. Er sammelt Konzessionen – nicht wie Briefmarken, aber doch immerhin so wie andere Leute zum Beispiel Kunst oder schnelle Autos. Die für den Strandabschnitt mit den vierhundert Liegen hat er schon seit ein paar Jahren. Die für Rettungsschwimmer und Strandsicherheit hat er, die für die Strandreinigung seit Neuestem. Sechs Mitarbeiter beschäftigt er allein dafür. Eine Beach Bar in Es Trenc fehlt ihm noch in der Sammlung. Bisher hat es nur für die Konzession der Bar an der Nachbarbucht Es Carbot gereicht. Und ganz neu in seinem Portfolio ist die Lizenz zum Betrieb der Touristen-Bimmelbahn in Colonia de Sant Jordi. Pizá muss gute Kontakte haben. Oder gute Arbeit leisten und gut beleumundet sein. Oder alles drei zusammen.
    Er versucht, ständig überall zu sein, seine Investments zu kontrollieren und sicherzustellen, dass die vorschüssig zu entrichtenden Gebühren am Ende der Saison mit Gewinn zurückgeflossen sein werden. Manchmal kommt er mit dem Geländewagen nachschauen, manchmal taucht er plötzlich mit dem heiß geliebten Jet-Ski auf und naht übers Wasser. Nur nachts haben seine Mitarbeiter verlässlich Ruhe vor ihm. Dann ist Francisco Pizá auf der Arbeit. Um zweiundzwanzig Uhr ist Dienstantritt in Porreres bei Campos, um sechs Uhr früh ist Feierabend. Denn im Hauptberuf ist der Mann Polizist. Wie das alles unter einen Hut passt? Wie einer vier oder fünf Jobs erledigen und ganz nebenbei auch noch ein Ferienhaus vermieten kann? Er grinst: »Mein Hobby ist Arbeit.« Er reibt sich die Augen. »Vier Stunden Schlaf genügen mir, meistens irgendwann am Nachmittag – eine längere Siesta nur, dann bin ich wieder fit.«
    Francisco dürfte zu den wenigen gehören, die keine Augen für Es Trenc haben, keine Zeit für Genuss, keine ruhige Minute, um den Sand einfach mal zwischen den Fingern hindurchrinnen zu lassen. Er nimmt noch einen Schluck sangria . Morgen ist sein freier Tag bei der Polizei: »Andere haben eine Frau, ich habe zu tun.« Schlafen, sagt er, könne er auch im Winter. Da sei tagsüber Zeit genug.
    Derweil ist es Nachmittag geworden vor der Beach Bar Chiringuito del Medio, die mal das Ultimo Paraíso war. Für Onofre und seine Leute ist ein Moment zum Durchatmen gekommen, ehe es wie immer gegen sechs noch mal so richtig losgehen wird. Eine junge Frau steht dreißig Meter von hier bis zum Bauch im Wasser, hält ihr Taschenbuch in den Händen und liest. Zehn Meter weiter schmettert ein Mann in Badehose Arien Richtung Himmel. Sein kleiner Sohn dümpelt in einem luftgefüllten Rettungsring und schreit auf Spanisch »Dadadi-Dadada«, während in der Nachbarschaft andere Kinder ihre Aufblastiere zum Meer zerren und ab und zu ein paar Nackte durchs Bild springen. Am Tresen warten ein paar Leute auf ihre Drinks, und Ramón kann Feierabend machen, weil alle Strandliegen in seinem Bereich für den Rest des Tages vergeben sind. Und bezahlt.
    »Weißt du«, erzählt Barmanager Onofre, »es ist noch nicht lange her, dass
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