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Lesereise Malediven

Lesereise Malediven

Titel: Lesereise Malediven
Autoren: Stefanie Bisping
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Landes und seit Kurzem auch seine einzige Universität besitzt, bewegt sich ein unendlicher Strom maledivischer Familien in Richtung Hauptstadt. Lieber kommen Eltern und jüngere Geschwister gleich mit, als dass man die Kinder im Teenageralter zu Freunden oder Verwandten schickt.
    Gerade hat die Mangozeit begonnen. Auf dem Markt im alten Basarviertel werden die womöglich süßesten Früchte der südlichen Hemisphäre verkauft. An Pfosten hängen Stauden winziger Bananen, ebenfalls süß und überaus wohlschmeckend. Erstaunlicherweise wird auf den Malediven mit ihrer extrem übersichtlichen Landmasse tatsächlich Obst angebaut. Was nicht von den Inseln stammt, kommt aus Indien und Sri Lanka. Die meisten anderen Lebensmittel werden importiert – aus Malaysia und Singapur, aber auch aus Europa. Unmittelbar am Dhoni -Hafen liegt die Fischhalle. In ihrem Schatten liegt der Fang des Tages auf den Fliesen, dahinter sitzen Fischer auf Kisten und umgedrehten Eimern und rauchen. Ein Stück weiter wird die Leibspeise der Malediver verkauft: Trockenfisch.
    Es sind die Gassen dieses Viertels, in denen das Leben der Malediver sich am wenigsten verändert zu haben scheint. Dabei reicht die Geschichte ihres Landes viel weiter zurück als in die prätouristischen Tage, in denen Mal é autofrei war und die Insel im Wesentlichen aus grünem Palmenwald und blendend weißen Korallensteinhäusern bestand, die sich in den schmalen Gassen des Basarviertels erhoben. Bevor die Malediver zum Islam bekehrt wurden, waren sie Buddhisten – und Seefahrer, die Kontakte zu den Nachbarstaaten pflegten.
    Blitzblank, eisgekühlt und menschenleer liegt das Nationalmuseum in der grellen Mittagssonne. Das von der Volksrepublik China gestiftete Gebäude bewahrt auf zwei Etagen, die sich um ein gewaltiges marmornes Treppenhaus erstrecken, die Geschichte der Malediven seit der späten Antike. Trotz des keimfreien Ambientes sind die Geister der Vergangenheit hier deutlich zu hören.
    Ohne Schutz durch Glas oder Vitrine ruht ein Buddha aus Korallenstein auf seinem Sockel, der aus der Zeit zwischen dem 6. und dem 8. Jahrhundert nach Christus datiert und auf Mundoo im Hadhdhunmathi-Atoll gefunden wurde. Der Kopf eines Buddhas, der 1958 auf der Insel Thodoo im Nord-Ari-Atoll gefunden wurde, belegt, dass die buddhistische Vergangenheit der Malediven auf den Inseln selbst nicht in Vergessenheit geraten war.
    Es war eher der Rest der Welt, der sich eine längere Historie der Inseln schwer vorstellen konnte. 1983 veranlasste die Regierung in Zusammenarbeit mit dem Kon-Tiki-Museum in Oslo Ausgrabungen auf der Insel Nilandhoo im Faafu-Atoll, einer der bedeutendsten archäologischen Stätten der Malediven. Geleitet wurde die Expedition von keinem Geringeren als Thor Heyerdahl (1914–2002), der unter anderem durch das legendäre Experiment einer Querung des Pazifischen Ozeans mit einem selbst gebauten Floß von Südamerika nach Polynesien zu Weltruhm gelangt war. Damit hatte er bewiesen, dass die Besiedelung der polynesischen Inseln von Südamerika aus möglich gewesen war. Auf den Malediven ging es ihm um die Geschichte der Inseln vor der Islamisierung. Seine Funde auf Nilandhoo bewiesen, dass die Inseln bereits rund sechshundert Jahre vor der Ankunft des Islams bewohnt waren – von Buddhisten aus Indien, aber womöglich auch von Hinduisten und Sonnenverehrern. Neben Funden aus dem 8. Jahrhundert nach Christus fanden Heyerdahl und sein Team auch Miniatur-Stupas, die noch etwa zweihundert Jahre älter waren. Alles war überwuchert, aber keinesfalls vergessen. Die Norweger, die sich auch auf anderen Atollen umschauten, fragten zunächst einfach die ältesten Bewohner der Inseln, ob im Dschungel im Inselinneren irgendwelche Ruinen verborgen lägen. Nicht selten fiel die Antwort positiv aus. So fanden sie Pyramiden, Skulpturen, Stupas und Münzen aus vorislamischer Zeit. Heyerdahl verewigte das Abenteuer und die Schlüsse, die er daraus zog, in seinem Buch »Fua Mulaku: Reise zu den vergessenen Kulturen der Malediven«.
    Viele der Funde sind im Nationalmuseum zu sehen. Eine liegende Löwenfigur, die zwischen dem 6. und dem 8. Jahrhundert aus Kalkstein geformt wurde, fanden die Norweger auf der Insel Gan – ein häufig vergebener Inselname – im Gaafu-Dhaalu-Atoll. Aber auch Ergebnisse anderer Ausgrabungen sowie reine Zufallsfunde gehören zu den Exponaten. Eine Schildkröte aus Korallenstein, die zwischen dem 6. und dem 8. Jahrhundert gefertigt wurde, birgt in ihrem
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