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Lesereise Malediven

Lesereise Malediven

Titel: Lesereise Malediven
Autoren: Stefanie Bisping
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ausgestrecktem Arm lässt es das Spielzeug aufsteigen und sinken. Offensichtlich ist eine Langstrecke zu bedienen. »Wohin fliegt denn dein Flugzeug?« – »Nach Bildodi.« – So geht das seit gut eineinhalb Jahren. Einiges haben wir dem Knaben zu bieten versucht: Kindgerechte Städtetrips, abwechslungsreiche Urlaubsreisen. Doch hätte er die Wahl, würde es dreimal im Jahr auf die Malediven gehen. Oder vielmehr: nach »Bildodi«. So hatte er unsere Insel aus unerfindlichen Gründen getauft.
    Trotz seiner Jugend hatte sich der Knabe bereits einen gewissen Überblick über die Welt verschafft. Dann kam die Reise, die seine Werteskala langfristig veränderte: eine Woche auf »Bildodi«. Ohnehin hatte es ihm Asien zu diesem Zeitpunkt bereits angetan. Thailand und Bali erfreuten sich bester Bewertungen durch den jungen Reisenden. Freundliche Temperaturen und der besonders herzliche Umgang der Menschen in Südost- und Südasien mit Kindern hatten das günstige Urteil erwirkt. Denn die Kleinen werden dort nicht als die Gäste von morgen umworben, sondern um ihrer selbst willen geliebt.
    Insgesamt scheint man in der Region besonders liebevoll mit dem Nachwuchs umzugehen – mit dem anderer Leute genauso wie mit dem eigenen. Nie ist zu hören, dass Kinder ausgeschimpft oder angeschrien würden. Auch jene lautstarken Machtkämpfe, in deren Verlauf westliche Eltern bisweilen auch in aller Öffentlichkeit die Contenance verlieren, scheinen hier unbekannt. Überhaupt wirken südasiatische Eltern recht gefasst. Auf den bewohnten Inseln planschen Kinder stundenlang in den Lagunen. Meist beaufsichtigen sie dabei einander; Erwachsene sind nicht zugegen. Es scheint niemanden zu beunruhigen.
    Accessoires wie Kinderwagen braucht auf den Malediven natürlich kein Mensch. Das liegt außer an der Überschaubarkeit der Strecken, die in den Inseldörfern zurückzulegen sind, vor allem daran, dass hier niemand etwas Wichtigeres zu tragen hat als sein jüngstes Kind. Das zuletzt geborene Familienmitglied betrachtet die Welt von den Hüften von Eltern, Onkel, Tanten und Großeltern aus. Das war schon immer so.
    Ein wenig können auch die Fremden von den örtlichen Gepflogenheiten profitieren. Wer hier urlaubt, braucht keinen Babysitter. Wohin man sich auch begibt, stets sind die Kleinen von freundlichen Menschen umlagert, die sie zu amüsieren trachten.
    Von unserer bevorstehenden Malediven-Reise hatten wir schon länger gesprochen. Mein Sohn freute sich sehr auf »Bildodi«. Und schon bei der Ankunft ahnen wir, dass die Realität seine Erwartungen womöglich noch übertreffen wird. Denn die Piloten des Wasserflugzeugs, mit dem wir unsere Insel im Baa-Atoll erreichen, fliegen mit nackten Füßen. Das ist ein Knüller. Dass man auch auf unserer Insel überall barfuß geht, gefällt dem Knaben noch besser: eine ganze Woche ohne Schuhe!
    Nach der Landung treibt er uns an, unverzüglich mit der Erkundung der Insel zu beginnen. Sie ist voller Wunder. Da sind zum Beispiel die hölzernen Bottiche mit Wasser vor jedem Gebäude. Aus ihnen ragen Kellen, von denen die Eltern behaupten, sie dienten nur dem Abspülen sandiger Füße. Es ist kaum zu fassen: Allgemein zugängliche Regentonnen vor jedem Haus, dazu Planschwerkzeug zur Selbstbedienung.
    Das Tollste aber sind das warme Wasser in der Lagune und der wunderbar weiche Sand, der niemals heiß wird. Bessere Bedingungen zum Planschen und Spielen kann es kaum geben – zumal an Land keinerlei giftiges Viehzeug den Frieden stört. Die Insel ist ruhig und naturorientiert. Mancher würde sagen: Hier ist nichts los. Das Kind aber buddelt, staunt über frisch geschlüpfte Babyschildkröten am Strand und füttert Geckos mit imaginärem Pudding. Überhaupt, diese Tiere: Flughunde, die mit dem Kopf nach unten an Ästen hängen, geben immer wieder aufs Neue Anlass zu Begeisterung. Und als einmal ein riesiger Schwarm fast durchsichtiger Fische unmittelbar am Ufer das türkisfarben leuchtende Wasser verdunkelt, betrachtet mein Sohn zwanzig Minuten lang die Fische, die zu Hunderten durcheinanderwirbeln.
    Auch das Resort ist einfach großartig. Saavath, der sechsundzwanzigjährige Kellner, der aussieht wie ein junger Filmstar aus Bollywood, faltet aus Papier Fische, Vögel und Boote. Sein Kollege Rasheed erzählt von seinen beiden Kindern, vier und sieben Jahre alt, die auf einer anderen Insel leben. Die Trennung von der Familie ist der Preis, den fast alle im Tourismus beschäftigten Malediver für ihren Job
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