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Lesereise Malediven

Lesereise Malediven

Titel: Lesereise Malediven
Autoren: Stefanie Bisping
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zahlen. Für die Kinder im Resort malt Rasheed Bilder – zwischen den Gängen, die er serviert. Die Besatzung der Rezeption will unser Sohn am liebsten gleich einkassieren, was ihm dann trotz der willkommenen Aufmerksamkeit ein bisschen unheimlich ist. Durch kein Lächeln und Locken lässt er sich erweichen, der Mannschaft an der Rezeption Gesellschaft zu leisten.
    Noch immer spricht mein Sohn viel von »Bildodi«. »Da müssen wir bald wieder hin«, sagt er oft. »Ja«, antworte ich dann und seufze ein wenig. »Da muss Mama aber noch viel schreiben …«

Das Häusermeer
Die womöglich am dichtesten besiedelte Hauptstadt der Welt bewahrt zwischen ihren gedrängten Fassaden auch die Geschichte der Malediven
    Gelb, rosa, hellblau. In zarten Farben erhebt sich ein Meer von Häusern aus dem Ozean. Kein Strand, keine Steilküste trennt die Brandung vom Beton, keine Grün- oder unbebauten Flächen sind auf der Insel zu sehen. Mal é , eine der kleinsten Hauptstädte der Welt, hat keinen Platz zu verschenken. Im Gegenteil.
    Sogar am Flughafen, wo die Urlauber in die Speedboote umsteigen, die sie auf ihre Inseln bringen, oder in den Bus klettern, der sie zum nahen Wasserflughafen bringt, ist das Meer nahe. Es sieht so klar aus, leuchtet in so verführerischem Türkis, dass man gleich die Füße hineinhalten möchte. Doch Mal é ist für die meisten Gäste nur der allerletzte Halt auf dem langen Weg ins Urlaubsdomizil.
    Zwischen den Anlegern der Resort-Boote macht indessen auch die Fähre fest, die die Flughafeninsel mit Mal é verbindet. Einen Dollar kostet die Passage. Die Überfahrt dauert nur wenige Minuten. Die Passagiere steigen aus, Kisten und ein paar Koffer werden ausgeladen. Auf der Uferstraße tost der Verkehr: Schwärme von Mopeds knattern umher, zwischen ihnen arbeiten sich Autos voran. Sechstausend Autos sind auf Males Straßen unterwegs, hinzu kommen die ungezählten Mopeds und Motorräder der hundertfünfzigtausend Hauptstadtbewohner. Zusammen bildet dieser Fahrzeugpark eine Geräuschkulisse, die einer Kapitale würdig ist – auch wenn die gerade mal tausendsiebenhundert mal neunhundert Meter misst. Sie macht es sehr schwer vorstellbar, dass sich hier vor ein paar Jahrzehnten noch niemand schneller fortbewegte, als es die tropische Hitze Fußgängern erlaubt. Und wenn man sich durch Straßen schiebt, deren Fußgängeraufkommen an den letzten Verkaufstag vor Weihnachten in einer westlichen Hauptstadt erinnert, blickt man mit ein wenig Wehmut auf diese Zeit zurück.
    Mal é ist klein, und Mal é ist voll. Um die Lage ein wenig zu entspannen, wurde auf einer nahe gelegenen Sandbank die Insel Hulhumale aufgeschüttet. Fünftausend Malediver leben dort bereits auf knapp zwei Quadratkilometern, ihre Zahl soll sich in den nächsten Jahren verzehnfachen. Doch alles spielt sich auf Mal é ab: Politik, Verwaltung, Geschäftsleben, Markttreiben.
    Ein paar Männer haben Frachtgüter vom Flughafen abgeholt, andere sind nach der Arbeit auf dem Weg nach Hause. Einige Frauen sind tief verschleiert, andere tragen T-Shirts, Hosen und Flipflops. Für die maledivischen Frauen ist der Schleier freiwillig. Bis vor einigen Jahren war Verschleierung sogar nahezu unbekannt. »Meine Tochter trägt keinen Schleier«, sagt Mr. Didi, der im Häusermeer für eine Reiseagentur arbeitet und heute Gästen die Hauptstadt zeigt. Er sagt es mit sehr entschiedener Stimme. Dass sie unverschleiert durchs Leben geht, bereitet ihm keinerlei Kopfzerbrechen, denn: »Ich habe ihr beigebracht, was richtig ist und was falsch.«
    Dennoch ist auch schwarze Ganzkörperverhüllung kein exotischer Anblick mehr auf Mal é . Präsident Nasheed hat es zwar geschafft, seinen Amtsvorgänger Gayoom abzulösen. Aber nicht alleine. Er musste die islamische Partei an der Regierungsbildung beteiligen. Die hat ihren Einfluss genutzt, um für eine fundamentalistische Auslegung der Staatsreligion zu werben. Den Wunsch nach einem Ministerium für islamische Angelegenheiten konnte sich der Koalitionspartner auch gleich erfüllen.
    Die meisten Gäste interessieren sich mehr für den Präsidenten, der den Klimawandel und seine Folgen zu einer Frage der nationalen Sicherheit erklärt hat, als für das Islamische Zentrum. Mr. Didi mahnt sie zur Geduld – alles hänge hier schließlich miteinander zusammen. Im Islamischen Zentrum verbergen sich außer dem Ministerium auch eine Bibliothek, ein Konferenzzentrum und vor allem die Moschee mit ihrer goldenen Kuppel und dem
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