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Lesebuch für Katzenfreunde

Lesebuch für Katzenfreunde

Titel: Lesebuch für Katzenfreunde
Autoren: diverse Autoren
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Tier hat einen Mikrosender unter der Haut, so daß wir seine Lebensfunktionen beobachten können.«
    Er drückte einen Kontrollknopf, und eine schwere, bleiplattierte Türe glitt mit einem Zischen komprimierter Luft zur Seite.
    »Schauen Sie sich unsere kleine Familie an.«
    Isobel sah sich in einem langen, von Fluoreszenzlampen erhellten Laboratorium, dessen Wände mit elektronischen Geräten und Fernsehschirmen bestückt waren, auf denen Zahlen blinkten. Aus einem Computer-Schnelldrucker glitt ein endloser Papierstreifen in einen Drahtkorb.
    Dr. Swan nahm ihn auf und studierte die Wellenlinien darauf, die den Lebensrhythmus der beiden Tiere hinten im Raum wiedergaben.
    »Schauen Sie sie doch an, während ich hier kontrolliere«, sagte er.
    Als Isobel auf die strahlungssichere Glaswand zuschritt, fürchtete sie sich vor dem, was sie sehen würde. Was waren es wohl für Karikaturen, für die sie arbeiten sollte?
    Beinahe lachte sie vor Erleichterung über den Anblick.
    Hinter dem verbleiten Glas war ein großer Raum mit Kratzpfosten, einer alten karierten Decke, einem zerfledderten Teddybären und zwei Katzen. Ein schöner siamesischer Sealpoint-Kater schaute sie aus blauen Augen neugierig an, und im Hintergrund lag eine graue Tigerkätzin faul auf der Decke. Man sah, daß sie bald Junge haben würde.
    »Du bist sicher Strauß«, sagte Isobel zum Siamesen, als er sich erhob, ihr graziös entgegenging und sich freundschaftlich am Glas rieb. Isobel antwortete ihm, indem sie unwillkürlich ihre Seite der Glaswand streichelte.
    »Ist er nicht prachtvoll?« fragte Dr. Swan.
    »Warum heißt er Strauß?«
    »Unser erster Direktor hatte die Gewohnheit, die männlichen Tiere nach Komponisten zu benennen. Der erste bestrahlte Kater hieß Mozart, sein überlebender Sohn Beethoven und so weiter.«
    »Und die Kätzin?«
    »Sie heißt Tiggy.«
    Fasziniert von Isobels behandschuhten Fingern stellte Strauß sich auf die Hinterbeine und versuchte, sie mit seinen schokoladefarbenen Pfoten zu erreichen. Aus einem Lautsprecher hörte man sein ärgerliches Miauen, und zum erstenmal schien Isobel ihre Aufgabe zweifelhaft. Sie versuchte sich vorzustellen, wie Generationen von Tieren in dieser kleinen giftigen Welt gefangengehalten wurden. Es lag doch wohl kaum ein Nutzen für die Menschheit in diesem Forschungsprogramm, ein Nutzen, mit dem sie vor sich die Experimente mit Tieren hätte rechtfertigen können. War es denn wichtig, daß das Leben nach einem Atom-Holokaust weiterging? Was für ein Leben – und in was für einer Welt?
    Neben ihr beobachtete Dr. Swan eine große Wanduhr.
    »Passen Sie auf«, sagte er. »Die wissen es ganz genau.«
    Tiggy sprang plötzlich auf die Füße, und ihr brüchiges Miau klang aus dem Lautsprecher. Strauß drehte sich von der Glasscheibe weg und lief mit ihr aufgeregt vor einer Schiebetür in der Wand auf und ab.
    Die Schiebetür glitt zurück, und ein Tablett erschien, auf dem eine Schale Milch und zwei Näpfe mit Futter standen. Die Katzen stürzten sich darauf und begannen zu schlingen. Strauß knurrte ein wenig, als Tiggy ihm warnend die rechte Vorderpfote auf den Kopf legte, um ihn von ihrem Napf fernzuhalten.
    »Kommen Sie, ich zeige Ihnen die anderen Laboratorien«, sagte Dr. Swan.
    Als sie gingen, ertönte das rauhe Geräusch, mit dem Tiggy ihre Milch aufleckte, über die Lautsprecher, und lsobel hatte plötzlich ein flaues Gefühl im Magen.
    An Isobels zweitem Sonntag im Laboratorium fragte Dr. Swan sie, ob sie ihren freien Nachmittag mit ihm verbringen wolle; er würde ihr gern die Umgebung zeigen. Sie hoffte, nicht allzu deutlich verraten zu haben, wie willkommen ihr diese Einladung war. Und dann dachte sie bei sich: Ich will nicht heucheln und Spielchen spielen. Ich mag Dr. Swan sehr gut leiden. Warum soll ich das verstecken?
    Ihm gefiel es, daß sie so rasch annahm. Die letzten Tage hatten sie einander nähergebracht, nicht nur wegen der Spannung, die Tiggys bevorstehende Niederkunft mit sich brachte, sondern weil ihnen auch klar geworden war, wieviel sie gemeinsam hatten. Beide waren schüchtern, aber beide fühlten sie, daß sie jemanden gefunden hatten, dem sie sich mitteilen konnten.
    Nach dem Mittagessen fuhren sie ein paar Kilometer weit nach Gelt Woods – einem ihm lieben schönen Fleck –, und bald wanderten sie auf einem Teppich aus welkem Laub neben einem Bach, der zwischen Böschungen aus Farn und roten Felsblöcken dahinmurmelte. Und sie empfanden es als die natürlichste Sache
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