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Lesebuch für Katzenfreunde

Lesebuch für Katzenfreunde

Titel: Lesebuch für Katzenfreunde
Autoren: diverse Autoren
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der Welt, daß er, als ihre Hände einander zufällig berührten, ihre Finger fest umschloß.
    Sie redeten über Unwichtiges, über Erlebnisse bei ihrer früheren Arbeit, über ihre jetzigen Kollegen, und, unvermeidlich, über ihre Kindheit und die Entdeckung, daß beide darunter gelitten hatten, Einzelkinder zu sein.
    Sie setzten sich auf einen Baumstamm an das sich kräuselnde Wasser. Strahlen blassen Sonnenlichts fielen auf sie durch das Gewirr der Zweige hoch oben, und irgendwo sang ein Vogel, als hätte die Natur nichts von der modernen Welt zu befürchten.
    Plötzlich wandte sich Isobel zu Dr. Swan, der ihre beiden Hände hielt.
    »Ich muß Ihnen etwas gestehen«, sagte sie.
    O Gott, jetzt erzählt sie mir, sie sei verheiratet, dachte er.
    »Ich habe mich stets bemüht, meiner Arbeit gegenüber objektiv zu sein. Ich habe zwar Tiere gern, aber ich fand es nie schwer, den Laboratoriumstieren gegenüber eine wissenschaftliche Haltung einzunehmen.«
    »Und jetzt?«
    »Es geht um Strauß und Tiggy. Mir kommt immer mehr vor, daß das, was man mit ihnen macht, obszön ist – ja, obszön! Sie sind auf ewig dazu verdammt, in einem Raum voll reinem Gift zu leben. Mich beunruhigt – ich muß das sagen –, daß Sie das nicht so empfinden.«
    Sie zog ihre Hände zurück und schaute ihn herausfordernd an. Er wählte seine Worte sorgfältig, als er antwortete: »Ich verstehe, was Sie sagen wollen. Wir wären nicht Menschen, wenn uns nicht manchmal bei Dingen, die uns wichtig sind, die Gefühle überwältigten. Sie befinden sich in einer neuen Umgebung, und offensichtlich finden Sie das Experiment verblüffend…«
    Und ich habe bei mir Gefühle entdeckt, die ich nicht für möglich gehalten hätte, ergänzte sie im stillen.
    »Aber die Katzen leiden nicht. Ihre Vorfahren taten es wohl, aber das ist vorbei und wir können nichts mehr dagegen tun. Ich wäre sehr unglücklich, wenn Sie mich als… wenn Sie dächten, ich sei gefühllos.«
    »Es passierte, als ich zum erstenmal im Strahlenschutzanzug und mit dem Helm in den Katzenkäfig ging. Nachdem ich Tiggy untersucht hatte, kam Strauß und sprang auf meinen Schoß, und als ich ihn streicheln wollte, konnte ich wegen der Schutzhandschuhe sein Fell nicht spüren.«
    »Aber da ist doch sicher noch mehr, was Sie bedrückt«, sagte Dr. Swan vorsichtig. »Schließlich sind Sie doch an Laboratoriumsbedingungen gewöhnt.«
    »Aber nicht an solche. Sie kommen mir vor wie das scheußliche Zauberritual, von dem Sie mir erzählten. Dennoch, Sie haben recht, Strauß zu halten und ihn nicht fühlen zu können, schien mir wie ein Abbild meines Lebens. Ich – ich sehe Leben rund um mich, aber irgendwie habe ich es noch nie ergreifen können. Sie müssen glauben, ich sei verrückt.«
    »Aber gar nicht.« Er hob behutsam ihre Brille weg, und einen Augenblick später umschlossen sie seine Arme.
    »Ich weiß, was Sie meinen«, sagte er. »Ich habe das Labor und eine Reihe von Katzen mit Komponistennamen zu meiner Welt gemacht, während die wirkliche Welt, das wirkliche Leben außerhalb von Spadeadam vor sich ging. Aber jetzt…«
    Er schwieg und küßte sie, und in der Nähe sang der Vogel ein Triumphlied.
    Es war ein ganz verändertes Paar, das am Spätnachmittag nach Gilsland zurückfuhr. Selbst als der Ansager die Musik aus dem Autoradio mit der ernsten Nachricht unterbrach, russische Panzer würden an der ostdeutschen Grenze massiert, konnten seine Worte Isobels Lächeln innerer Glückseligkeit nicht wegwischen.
    Als Isobel am Montagmorgen beim Eingang hielt, sah sie, daß der Wachmann über seiner dunkelblauen Uniform einen Revolver trug.
    »Wir haben schärfere Sicherheitsvorschriften«, erklärte er entschuldigend. »Diese verdammten Russen. Was nützt ihnen das alles?«
    Sie zuckte die Achseln und nahm ihre Identitätskarte an sich.
    Normalerweise interessierte sie sich für internationale Politik. Sie fand, das sei eines jeden Bürgers Pflicht. Aber heute war ihre Aufmerksamkeit nur auf sich selbst und ihre neuentdeckten Gefühle gerichtet. Ihr Atem ging hastig; sie fragte sich, wie es sein würde, ihn nach diesen wundervollen Momenten in Gelt Woods wiederzusehen.
    Sie mußte einer Kolonne von Panzerwagen ausweichen, die mit kreiselnden geheimen Radarantennen auf ihren Stahlraupen vorbeikrochen. Ein Kantinengerücht besagte, sie würden in aller Eile über die Nordsee nach Deutschland geschickt. Aber das berührte sie nicht.
    Sie parkierte wie immer und ging in den Überwachungsraum,
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