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Lesebuch für Katzenfreunde

Lesebuch für Katzenfreunde

Titel: Lesebuch für Katzenfreunde
Autoren: diverse Autoren
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Fell durchdrang.
    Isobel verbrachte Stunden damit, sie durchs Fenster zu beobachten; sie filmte ihre Fortschritte mit einer Videokamera. Das Verhalten von Strauß interessierte sie besonders. Oft versuchte er, mit einem seiner Kinder zu spielen, und stieß sie dabei mit den Pfoten an, als wären sie sein Ball mit dem Glöckchen. Dann eilte jeweils Tiggy herbei – ihre Aufregung war im Monitor in Form heftiger Ausschläge sichtbar – und hob das Kätzchen am Nacken auf, um es in einer entfernten Ecke in Sicherheit zu bringen.
    Eines späten Nachmittags, als die Kätzchen schon kräftig genug waren, um dem schokoladefarbigen Schwanz ihres Vaters nachzujagen, saß Dr. Swan allein in der Kantine und wartete auf Isobel. Vom Radio kam eine Wiederholung der Ansprache, die der Premierminister vor dem Unterhaus gehalten hatte. Er behauptete, wenn in Europa ein konventioneller Krieg ausbreche, bedeute das nicht notwendigerweise einen Atomkrieg.
    »In meinem Herzen kann ich nicht glauben, daß eine der Supermächte zu Atomwaffen greifen würde, selbst wenn nichtatomare Waffen angewendet würden«, sagte die sorgfältig intonierende Stimme. »Sie wissen, daß dies nur die automatische Zerstörung ihres eigenen Landes wie auch des fremden einleiten würde.« Die Parlamentarier schwiegen für einmal.
    Als Isobel eintrat, sah Dr. Swan mit Freude, wie sehr sie sich verändert hatte, seitdem sie steif in seinem Büro gesessen hatte. Jetzt war ihr Gesicht lebendig, und sie trug eine tiefrote Schärpe um den Hals.
    »Kaffee?« fragte er.
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Tut mir leid, daß du warten mußtest. Ich habe so intensiv beobachtet, wie die Kätzchen zum erstenmal Milch zu lappen versuchten, daß ich die Zeit ganz vergaß. Daß wir die Bestrahlung um ein Millicurie erhöht haben, scheint ihnen nichts auszumachen.«
    »Gehen wir ein wenig an die frische Luft«, sagte er. »Man kann diese Treibhausatmosphäre überbekommen.«
    Sie verließen das Gebäude zusammen, und er führte sie an einen Ort, von dem aus man über das flüsternde Tannenmeer schauen konnte, das den größten Teil des Spadeadam-Areals bedeckte. Im Westen stand die Sonne tief hinter einer schwarzen Bank von Stratocumulus-Wolken; ihre goldenen Strahlen fächerten sich darunter und darüber wie auf einem Heiligenbild auf, dachte Isobel.
    Jenseits des Dorfes Gilsland stieg das Hügelland zu den Penninen an. Die Kuppen der Umgebung trugen schwarze Spitzen aus entblätterten Bäumen.
    Eine V-Formation von Fouga-Jets fegte der Römischen Mauer entlang und verschwand; ihr Donner folgte ihnen. Als er verstummte, hatte Isobel plötzlich das seltsame Gefühl, sie und David seien die einzigen Menschen auf der Welt.
    »Isobel«, hob er an und drehte sie zu sich herum – so daß ihren Augen die sofortige Zerstörung durch die Bombe erspart blieb. Aber obwohl sie in Erwartung seines Kusses die Augen geschlossen hatte, sah sie durch ihre Lider hindurch die Welt weiß werden. Sie hörte David schreien und fühlte, wie er in ihren Armen zusammensank. Die Strahlung hatte seine Augen schmelzen lassen; Schleim rann über sein Gesicht. Ihr Körper fühlte sich an, als hätte er Feuer gefangen, da nun die gleiche Strahlung sie durchfloß.
    Das Seltsamste war, daß außer fernen Schreien von Menschen, die wie David nach Süden geblickt hatten – eine große Stille über ihnen hing. Die Strahlung verbreitete sich mit Lichtgeschwindigkeit; aber es würde noch ein paar Minuten dauern, bis die Hauptwelle von der Bombe, die über Birmingham explodiert war, sie erreichte.
    Isobel war sich schmerzhafter Veränderungen in ihrem Körper bewußt. Sie lag neben David und flüsterte: »Es ist bald vorüber, Lieber.«
    Hinter den Händen hervor, die er auf sein Gesicht preßte, hörte sie ihn ein einziges Wort murmeln.
    »Strauß.«
    »Ja«, sagte Isobel. »Natürlich.«
    Langsam stellte sie sich auf die Füße und verließ ihren sterbenden Geliebten. Sie betete, daß sie ihre Pflicht tun könnte, bevor sie zusammenbrach. Hinter ihr zeugte eine riesige Flammensäule vom ersten Schlag, aber das bedeutete ihr nichts mehr. Sie zweifelte nicht daran, daß britische Raketen gen Osten sausten und daß die Steuerzahler etwas von dem vielen Geld hatten, das zur Ausbalancierung der Machtverhältnisse investiert worden war. Doch was machte das schon aus? Die Welt starb von Sekunde zu Sekunde, und sie fühlte eine seltsame Befriedigung darüber, daß sie in wenigen Minuten erlöst sein würde.
    Als sie zum
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