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Leo Berlin

Leo Berlin

Titel: Leo Berlin
Autoren: Susanne Goga
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gestanden und die Republik ausgerufen
     hat?«
    Ilse zuckte gleichgültig
     mit den Schultern und stellte die Schüssel mit den Erdbeeren auf den
     Tisch, dazu Kartoffeln, Margarine und etwas Wurst. »Die Politik ist
     schmutzig, das habe ich schon immer gesagt. Und nur weil jetzt die anderen
     dran sind, wird sie nicht besser. Ich hole die Kinder zum Essen.«
     Mit diesen Worten ging sie aus der Küche und Leo sah ihr nach. Auf
     einmal kam er sich unendlich allein vor.
    Marie stürmte in die Küche
     und kletterte auf den Stuhl neben ihrem Vater. »Guck mal, Papa,
     Tante Ilse hat Erdbeeren gekauft. Sehen die nicht lecker aus?«
    Fünf Minuten später
     war ihr Mund rot verschmiert und ihre Augen strahlten. »Für wen
     ist die letzte?«, fragte sie mit einem besorgten Blick auf ihren
     Bruder.
    »Ach, ich bin so satt«,
     meinte Georg vielsagend und schaute seinen Vater an, der anerkennend lächelte.
    Leo trat ans
     Wohnzimmerfenster, riss es weit auf und rauchte eine seiner seltenen
     Zigaretten. Komisch, viele Menschen rauchten nur in Gesellschaft, er aber
     rauchte, wenn er einsam war.
    In Gedanken versunken fuhr er
     mit einem Finger über seine linke Schläfe, an der eine lange weiße
     Narbe vom Haaransatz bis zur Höhe des Wangenknochens lief. Vor drei
     Jahren, bei den Straßenkämpfen im Winter, hatte er bemerkt, wie
     drei Polizisten einen Arbeiter verprügelten, der schon am Boden lag,
     die Arme um den Kopf geschlungen. Spontan war er dazwischengegangen.
     Worauf die Polizisten mit ihren Gummiknüppeln auf ihn einschlugen.
     Manchmal glaubte er, dass sie ihn nur bei der Kripo behalten hatten, weil
     Kriminaloberkommissar Ernst Gennat sich für ihn eingesetzt hatte.
    Auf der Straße spielten
     noch ein paar Kinder. Ein Betrunkener taumelte aus der Eckkneipe und
     umschlang den nächsten Laternenpfahl wie eine Geliebte. Von hier oben
     sah alles aus wie immer, kein Hunger, kein Elend, keine Krankheiten. Aber
     das war nur die Täuschung eines hellen Sommerabends.
    Später las er in einem
     Buch über Malerei, eine seiner privaten Leidenschaften. Gegen neun
     klingelte das Telefon. Sie besaßen einen der wenigen Anschlüsse
     in dieser Gegend, weil Leo als Kriminalkommissar ständig erreichbar
     sein musste.
    »Wechsler.«
    »Leo, du musst kommen«,
     meldete sich sein Kollege Robert Walther, mit dem er befreundet war.
     »Wir haben einen Mordfall in Charlottenburg. Ein Mann namens Gabriel
     Sartorius wurde erschlagen.«
    Er saß am
     Schreibtisch, vor sich ein Glas Weinbrand. Seine Hände ruhten auf der
     polierten Tischplatte, reglos, ohne die Spur eines Zitterns. Mit diesen Händen
     . . .
    Dabei hatte er nur mit ihm
     reden wollen. Ihn fragen, wie jemand außer ihnen beiden von den
     Dingen wissen konnte, die er ihm anvertraut hatte. Wie jemand diesen Brief
     hatte schreiben können. Ob jemand, der Sartorius nahe stand, den
     Heiler missbraucht hatte, um dessen Patienten zu schaden. Das musste der
     Mann ihm sagen, das war Sartorius ihm schuldig, nachdem er seine ganze
     Heilkunst an ihm ausprobiert hatte: Edelsteine, Meditation, Pendel,
     Hypnose . . . einfach alles, was Hilfe versprach.
    Doch als er davon erzählte,
     hatte er eine flüchtige Veränderung bemerkt, ein verstohlenes
     Grinsen, das einen Mundwinkel des Heilers kräuselte. Sollte er . . .?
     Nein, das war undenkbar.

 
    2
    Kriminalsekretär Robert
     Walther holte ihn ab. Leo hatte sich kurz gewaschen, ein frisches Hemd
     übergezogen und Ilse Bescheid gesagt, die sich mit einem säuerlichen
     Blick von ihm verabschiedet hatte. Dann war er die Treppe hinuntergeeilt
     und in den dunkelblauen Dienstwagen gestiegen. Im Fond saßen die
     Kriminalassistenten Stahnke und Berns, die Leo kannte und schätzte.
     Es gab keine festen Mordkommissionen, sondern nur Ermittlergruppen, die
     von einem Kommissar geleitet und für jeden Fall neu zusammengestellt
     wurden. Daher war es Glückssache, wer einem zugeteilt wurde.
    »Gott sei Dank, dass
     sie dich geschickt haben und nicht von Malchow«, sagte Leo zu
     Walther, nachdem er sich auf dem Beifahrersitz niedergelassen hatte.
    Sein Kollege grinste ihn schräg
     von der Seite an. »Ich glaube, der ist über Pfingsten
     weggefahren.«
    Leo antwortete mit einem
     Knurren. »Für den besteht das Leben nur aus Feiertagen.«
     Er schwieg eine Weile. »Wer hat angerufen?«
    »Das Charlottenburger
     Revier. Die Haushälterin hat die Leiche gefunden und ist auf die Straße
     gerannt. Zum Glück kam gerade
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