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Lena Christ - die Glueckssucherin

Lena Christ - die Glueckssucherin

Titel: Lena Christ - die Glueckssucherin
Autoren: Gunna Wendt
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skurriler Dialog mit der Großmutter:
    »Am Abend fragen wir Großmutter:
    – Wie war unser Großvater?
    Sie sagt:
    – Wie? Was? Ihr habt keinen Großvater.
    – Aber wir hatten früher einen.
    – Nein, nie. Als ihr geboren wurdet, war er schon tot. Also habt ihr nie einen Großvater gehabt.«
    Doch Lena Christ hat zum Glück – genau wie ihr Alter Ego in den Lausdirndlgeschichten und Erinnerungen einer Überflüssigen – einen Großvater. Die Jahre als »Großelternkind« in Glonn zählten zu den glücklichsten ihres Lebens, und nichts deutete darauf hin, dass dieser Zustand einmal enden könnte.

2
Ein Großvater, der alles kann
    Lena Christs uneingeschränkte Liebe galt ihrem Großvater, dem sie mit dem Protagonisten ihres Romans Mathias Bichler ein ebenso eindrucks- wie liebevolles Denkmal gesetzt hat. In den Erinnerungen einer Überflüssigen heißt es: »Der Großvater nämlich verstand sich auf alles, und wo man im Dorf eine Hilfe brauchte, da wurde er geholt. Er war Schreiner, Maurer, Maler, Zimmermann und Kuhdoktor, und manchmal hat er auch dem Totengräber ausgeholfen.«
    Mathias Pichler hatte 1851, vierundzwanzigjährig, die fünf Jahre ältere Anna Hauser aus Öd geheiratet und mit ihr fünf Kinder bekommen. Lenas Mutter Magdalena wurde am 1. Januar 1860 als zweitjüngstes Kind geboren. Noch vor der Hochzeit hatte Mathias Pichler von seinen Eltern das »Hansschusterhaus« übernommen. In Lena Christs Werken wird das Anwesen, in dem sie aufwuchs, stets das »Handschusterhaus« genannt. In der Charakteristik ihres Großvaters fährt sie fort: »Und weil er so überall zur Hand war, hieß man ihn den Handschuster, und der Name wurde der Hausname, und ich war die Handschusterleni.« Sie war fasziniert von seinen Händen, denn er »hatte trotz der mannigfachen schweren Arbeit schlanke schöne Hände. Die habe ich in späterer Zeit oft betrachtet, wenn er am Abend auf der Hausbank saß und über irgend etwas nachdachte.« Durch den Austausch eines Buchstabens wird die Bezeichnung eine Hommage an die schönen Hände des Großvaters.
    Es müsse dort einmal einen Hans gegeben haben, der das Schusterhandwerk ausübte, meint Hans Obermair, denn die Hausnamen der Anwesen seien normalerweise durch die Kombination von Beruf und Eigenname entstanden. Im Saalbuch der Pfarrei Glonn von 1662 wurde das Hansschusteranwesen zum ersten Mal erwähnt. 1821 hatte Lena Christs Urgroßvater das Haus gekauft, dreißig Jahre später ging es in den Besitz seines Sohnes über. Damals war es ein »1 /16 Gütl« mit Wohnhaus und Stall und der Herrschaft und Gerichtsbarkeit der Hofmark Zinneberg unterstellt. Später kaufte der Großvater noch zwei Grundstücke dazu.

    3 Geburtshaus in Glonn
    Lena Christs Geburtshaus steht nicht mehr. Es wurde 1956 durch einen Neubau ersetzt, an dem eine Gedenktafel mit einem Relief angebracht ist, das Lena Christ im Profil zeigt mit der Inschrift »LENA CHRIST HEIMATSCHRIFTSTELLERIN GEBOREN HIER IM ALTEN HAUS« und den beiden Jahreszahlen 1881 und 1920. Sie wurde von Theodor Georgii, dem Schüler und Schwiegersohn des Münchner Bildhauers Adolf von Hildebrand, angefertigt. Auch die Straße, in der das Haus steht, trägt den Namen der Schriftstellerin.
    Bereits am 27. April 1923 wurde eine Gedenktafel am Geburtshaus angebracht, sie trug die Aufschrift: »In diesem Hause ist’s als sie war jung. Lena Christ dies zur Erinnerung 1921«. Demzufolge muss die Tafel sogar noch früher, also nur ein Jahr nach ihrem Tod angefertigt worden sein. Warum man zwei Jahre mit dem Aufhängen zögerte, ist nicht bekannt. Zweifellos gab es in Glonn Widerstände gegen die Frau, die das bayerische Landidyll in ihren Werken einer kritischen Betrachtung unterzog, bei der die Glonner nicht gut abschnitten. Doch nicht nur ihre Bücher erzeugten Unwillen, sondern vor allem ihr Lebenswandel – und ihr Ende. Sie war auf die schiefe Bahn geraten, hatte gefälscht, gelogen, betrogen und mit ihrem Selbstmord eine Todsünde begangen. Dass sie eine große Schriftstellerin war, geriet angesichts dieser Umstände in den Hintergrund. Die ehemalige Hansschusterleni erschien den Einwohnern von Glonn weder als vorbildlich noch als denkmalswürdig.

    4 Glonn um 1900
    Als Lena Christ zur Welt kam, befand sich der Ort Glonn mitten in der Aufbruchstimmung der Gründerzeit. Er zählte knapp 500 Einwohner. Neue Häuser wurden gebaut, neue Gastwirtschaften gegründet. Während es bis 1862 nur eine Gastwirtschaft gegeben hatte, die das soziale
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