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Lena Christ - die Glueckssucherin

Lena Christ - die Glueckssucherin

Titel: Lena Christ - die Glueckssucherin
Autoren: Gunna Wendt
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Begegnung mit Jerusalem leitete eine Phase der Ruhe und Entspannung in ihrem Leben ein. Nach der Entlassung lernte sie den Mann kennen, der ihr Sicherheit gab und sie gleichzeitig zu Neuem inspirierte, ihr erzählerisches Talent entdeckte, förderte und ihr eine Fluchtlinie eröffnete, die für ihr Leben von existenzieller Bedeutung sein würde: das Schreiben.
    Peter Jerusalem verkörperte eine Zeit lang das, was Lena Christ so dringend gesucht und mit dem Wort »Vater« auf den Begriff gebracht hatte: den Beschützer, den Retter, all das, was sie seit dem Tod ihres Großvaters schmerzlich vermisst hatte. Eine ihrer Lausdirndlgeschichten trägt sogar den Titel Wo ist mein Vater? Sie beginnt mit dem Ergebnis: »Es war alles umsonst. Ich habe ihn doch nicht gefunden.« Einer der meisterhaften Anfänge Lena Christs, von denen es viele beeindruckende Beispiele in ihrem Werk gibt. In dieser Lausdirndlgeschichte wird sie für ihre erfolglose Suche zumindest entschädigt. Sie bekommt eine Tasse mit der Aufschrift »Sei glücklich« geschenkt. In ihrem Nachlass befindet sich ein Glas mit derselben Aufschrift. Die Aufforderung zum Glück zieht sich durch ihr Leben und Werk. Auch in den Erinnerungen einer Überflüssigen taucht eine Variante dieser Glücksbeschwörung auf: »Auf dem sauber gedeckten Tisch standen zierliche Tassen und Kannen, deren eine jede in einem bunt gemalten Kranz die goldene Inschrift trug: Lebe glücklich!«
    In der Geschichte Die Familienfeier ist die Suche nach dem Vater beinahe identisch mit der Suche nach dem Glück: Nachdem Leni seinen Namen im Münchner Adressbuch entdeckt hat, fasst sie einen Plan:
    »Wenn ich am Sonntag in die Vesper oder in die Kapuzinerpredigt gehen muss, dann suche ich ihn.
    Vielleicht ist er es.
    Vielleicht ist er auch recht reich; dann wird es fein.«
    Peter Jerusalem und der Kritiker Josef Hofmiller werteten die Lausdirndlgeschichten als Fehltritt und »Entgleisung«. Hofmiller, der Lena Christs Erinnerungen überschwänglich gelobt hatte, wandte sich sogar für eine Weile von ihrer schriftstellerischen Arbeit ab. Hans Obermair berichtet, aufgrund der Lausdirndlgeschichten , in denen sich viele Glonner wiedererkannten und nicht von ihrer besten Seite dargestellt fühlten, sei Lena Christ in ihrem Heimatort immer umstritten gewesen. Eine Ausgabe des Buches von 1913, die er in einem Glonner Nachlass gefunden hatte, bewies, dass es im Ort bekannt war. Der Text wurde als »Bleckerei« aufgefasst und konnte daher nicht auf positive Resonanz hoffen. Man nahm der Autorin übel, dass sie die Menschen, unter denen sie eine Zeit lang gelebt hatte, karikierte und diffamierte. Doch auf diese Vorwürfe konnte und wollte Lena Christ keine Rücksicht nehmen.
    Sie sei durch eine Veranstaltung, bei der Ludwig Thomas 1905 erschienene Lausbubengeschichten vorgetragen wurden, angeregt worden, eine weibliche Variante dazu zu schreiben, berichtet Jerusalem. Die Umschlagzeichnung entwarf sie selbst: ein Mädchen mit frechem Profil und widerspenstigem Zopf. Jerusalem hatte sie in diesem Projekt bestärkt, da er sich davon einen wirtschaftlichen Erfolg versprach, den sie zu diesem Zeitpunkt dringend benötigten. Der Münchner Verleger Martin Mörikes erklärte sich sofort dazu bereit, ein solches Buch zu publizieren, und zahlte einen hohen Vorschuss, nachdem der Langen Verlag das Buch abgelehnt hatte. Es habe unter einem »Unstern« gestanden, so Günter Goepfert, und zu der falschen Annahme geführt, Lena Christ sei von Anfang an stark von Ludwig Thoma beeinflusst worden. Diese Auffassung ist auch in viele Publikationen zu ihrem Gesamtwerk übernommen worden.
    Die in den Jahren 1912 und 1913 verfassten kurzen Geschichten aus Kindersicht zeigen jedoch nicht nur Anklänge an Thomas berühmte Lausbubengeschichten. Verblüffend ist die Nähe zu einer ungarischen Autorin, deren literarisches Werk siebzig Jahre später im Schweizer Exil entstand: Agota Kristof. Die Zwillinge Lukas und Klaus, die bei ihrer Großmutter aufwachsen, sind die Protagonisten ihres Romans Das große Heft . Mit lakonischer Ironie, die das Lachen im Hals stecken bleiben lässt, wird darin die Welt aus kindlicher Sicht geschildert und erscheint holzschnittartig, zweidimensional. Nur das, was auf der Bildfläche sichtbar ist, existiert. Die allmächtige Gegenwart lässt Vergangenheit und Zukunft in so weite Ferne rücken, dass deren Existenz unwichtig wird.
    Aus den Fragen der Kinder nach ihrem Großvater entwickelt sich ein
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