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Lena Christ - die Glueckssucherin

Lena Christ - die Glueckssucherin

Titel: Lena Christ - die Glueckssucherin
Autoren: Gunna Wendt
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ehelichen: eine frühe Charakteristik der Mutter Lena Christs, die immer wieder kolportiert wird. Elisabeth Wolf führt an, dass Karl Christ und seine Geschwister von ansprechendem Äußeren, schön und stattlich, musisch und künstlerisch begabt und vom Fernweh getrieben waren. Ihr Optimismus und ihre Fröhlichkeit seien manchmal als Leichtsinn diffamiert worden, doch gerade Karl, der eine Lehre als Schmied absolviert hatte, sparte sich ein kleines Vermögen zusammen. Sein Traum war es tatsächlich, nach Amerika auszuwandern. Mit diesem Plan hat Lena Christ auch eine ihrer Protagonistinnen ausgestattet. Immer bereit zu einem Neuanfang, war die Rumplhanni aus dem gleichnamigen Roman nicht auf einen speziellen Ort festgelegt: »Jetzt probier i’s amal z’Münka, und is’s z’Münka nix, nachha geh i auf Berlin«, kündigt sie an, doch auch Berlin bedeutet keine Endstation: »Wenns da aa nix is, nachher roas’ i ganz furt. In’s Amerika.«
    Karl Christ verschwand wie aus heiterem Himmel, so Elisabeth Wolf. Für seine Eltern sei Magdalena Pichlers Erklärung, er sei mit der Cimbria untergegangen, niemals schlüssig gewesen. Er habe viel zu sehr an seiner Familie gehangen und hätte sich niemals ohne Begründung oder Abschied aus dem Staub gemacht. Dass seine Kleider und Habseligkeiten zu Hause zurückblieben, ließ seine Eltern sogar ein Verbrechen befürchten.
    Auch die Umstände, unter denen sich Karl Christ und Magdalena Pichler kennengelernt hatten, sind ungeklärt. In einer Version der Geschichte haben sie sich auf Schloss Zinneberg in Glonn getroffen, wo Magdalena Pichler als Köchin arbeitete. Karl Christ habe seinen Herrn, den Rittmeister Ewald Hornig, dorthin begleitet. In diesem Zusammenhang tauchte sogar die Vermutung auf, ein Familienmitglied der auf Schloss Zinneberg ansässigen Scanzonis sei Lena Christs Vater. In ihrem Film Lena Christ – Heimat und Sehnsucht geht die Journalistin Evita Bauer dieser Frage nach und lässt Mignon von Scanzoni, eine Nachfahrin, zu Wort kommen. Die Psychologin kann zwar nichts Konkretes zur Aufklärung beitragen, weist aber auf die Funktion von Mythenbildung hin, die hier befriedigend erfüllt sei: Man bringe zwei exponierte Glonner zusammen, die Dichterin Lena Christ und Albert von Scanzoni, der als Vorsitzender des Verschönerungsvereins viel für das Dorf getan habe. Das werte die Geschichte Glonns auf. Doch Hans Obermair widerspricht dieser Einschätzung vehement, sie zeuge von »purer Unkenntnis über Glonn und seine Persönlichkeiten«.
    Laut Obermair ist es überhaupt zweifelhaft, dass Magdalena Pichler jemals auf Schloss Zinneberg gearbeitet hat. Er hat ihre Arbeitsverhältnisse in München ab 1877 rekonstruiert. Danach konnte sie zur fraglichen Zeit gar nicht auf Schloss Zinneberg gewesen sein. 1877 trat sie eine Stelle als Dienstmagd, später als Köchin bei Polizeirat Franz Bauer an. Von Oktober 1877 bis April 1879 arbeitete sie bei der Professorentochter von Lindwurm, ab Juli 1879 bei der Hofratsgattin von Huther. Diese Tätigkeit wurde vom 1. September 1881 bis 6. Januar 1882 unterbrochen – vermutlich um die Schwangerschaft und Geburt vor ihrer Arbeitgeberin geheim zu halten. Da sie ab 1879 in der Münchner Hildegardstraße wohnte, in deren Nähe – Kanalstraße 33 – Rittmeister Hornig lebte, ist anzunehmen, dass sie und Karl Christ sich dort begegneten und nicht in Glonn. Nach Lenas Geburt setzte Magdalena Pichler ihre Arbeit im Haus von Huther bis April 1883 fort. Im selben Monat wurde sie als Köchin bei Bankdirektor Hugo Freud angestellt, blieb dort fünf Jahre und kündigte im Oktober 1888, um den Gastwirt Josef Isaak zu heiraten.
    Magdalena Pichlers uneheliche Tochter wurde auf den Namen ihrer Mutter, Magdalena, getauft. Bei ihrem Vormund, dem Großvater Mathias Pichler, und seiner zweiten Ehefrau – die erste war früh verstorben – wuchs sie auf: unbeschwert, unbekümmert, glücklich. »Bei meinen Großeltern ist es furchtbar schön gewesen«, beginnt denn auch eine Lausdirndlgeschichte . Dass sie damals ihren Vater vermisst hat, ist unwahrscheinlich. Man vermisst nur das, was man einmal besessen oder erfahren hat. In ihren ersten sieben Lebensjahren waren das weder Vater noch Mutter. Beide waren für das Kind nur abstrakte Instanzen, mit dem Unterschied, dass die Mutter ab und zu im Glonner Hansschusterhaus erschien.
    Im Alltagsleben war der Großvater die zentrale männliche Bezugsperson. Er erfüllte die Bedürfnisse der kleinen Lena in
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