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Und dann der Tod

Und dann der Tod

Titel: Und dann der Tod
Autoren: Iris Johansen
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Kapitel 1
    21. Januar 16.50 Uhr
    Mexiko
    Am liebsten würde sie sie umbringen.
    »Siehst du? Ich hab’s dir ja gesagt«, bemerkte Emily strahlend. »Das klappt doch ganz prima.«
    Bess hielt sich fest, als der Jeep schon wieder durch ein Schlagloch fuhr. »Ich hasse Leute, die sagen, ich hab’s dir doch gesagt. Und kannst du endlich aufhören, so verdammt gutgelaunt zu sein?«
    »Nein. Ich bin glücklich. Und du wirst es auch sein, wenn du erst einsiehst, daß ich dich völlig zu Recht überredet habe, mich mitzunehmen.« Emily drehte sich zum Fahrer neben ihr um.
    »Wie weit, Rico?«
    »Sechs, vielleicht sieben Stunden.« Ein Lächeln hellte das dunkle Gesicht des jungen Mannes auf. »Aber wir sollten anhalten und das Nachtlager aufschlagen. Ich muß die Straße sehen können. Ab jetzt wird sie ein bißchen holprig.« Wie zur Bestätigung wurden sie vom nächsten Schlagloch durchgerüttelt.
    »Das hier ist noch nicht holprig?« fragte Bess trocken.
    Rico schüttelte den Kopf. »Die Regierung sorgt dafür, daß diese Strecke in Schuß gehalten wird. Aber die Straße nach Tenajo wird von keinem repariert. Da wohnen nicht genug Leute.«
    »Wie viele sind es?«
    »Vielleicht so an die hundert. Als ich vor ein paar Jahren von da weggezogen hin, waren es noch mehr. Aber die meisten jungen Leute sind jetzt weg, genau wie ich. Wer will schon in einem Dorf wohnen, in dem es nicht mal ein Kino gibt?« Er blickte über die Schulter zu Bess, die hinten saß.
    »Ich glaube nicht, daß Sie in Tenajo irgend etwas finden, das sich zu fotografieren lohnt. Da gibt es nichts. Keine Ruinen.
    Keine wichtigen Leute. Wozu der Aufwand?«
    »Es ist für eine Artikelserie, die ich gerade für den Traveler über bislang nicht entdeckte Reiseziele in Mexiko mache«, erklärte Bess. »Und ich kann nur hoffen, daß es etwas in Tenajo gibt, sonst werden die Leute von Condé Nast nicht sehr glücklich sein.«
    »Wir werden etwas für dich finden«, sagte Emily. »Jedes mexikanische Dorf hat einen Platz und eine Kirche. Damit können wir schon mal anfangen.«
    »Ach ja? Suchst du jetzt schon meine Motive aus?«
    Emily lächelte. »Nur dieses eine. Dieser Auftrag gefällt mir.
    Lieber ist es mir, du schießt Fotos von netten, hübschen Landschaften, anstatt daß irgendwelche Verrückte auf dich schießen.«
    »Meine Arbeit macht mir Spaß.«
    »Gott noch mal, nach Danzar bist du in einem Krankenhaus gelandet. Was du machst, ist nicht gut für dich. Du hättest dein Medizinstudium abschließen und mit mir in die Kinderchirurgie gehen sollen.«
    »Dafür bin ich nicht abgebrüht genug. Das habe ich in der Nacht begriffen, als dieses Kind auf der Unfallstation gestorben ist. Ich weiß nicht, wie du das durchhältst.«
    »Aha. Somalia war wohl eine Lappalie und Sarajevo nicht der Rede wert. Und Danzar? Wann wirst du mir endlich erzählen, was in Danzar geschehen ist?«
    Bess erstarrte. »Halt dich aus meiner Arbeit raus, Emily. Das meine ich ernst. Ich brauche keine Aufpasserin. Ich bin fast dreißig.«
    »Außerdem bist du erschöpft und ausgelaugt, und dennoch bist du von deiner verdammten Kamera besessen. Seit Beginn unserer Reise hast du sie nicht einmal abgenommen.«
    Instinktiv legte Bess ihre Hand um die Kamera. Sie brauchte ihre Kamera. Sie gehörte zu ihr. Nach all diesen Jahren käme sie sich ohne sie vor wie eine Blinde. Aber es war zwecklos, Emily das begreiflich machen zu wollen.
    Emily hatte die Dinge immer nur schwarzweiß gesehen; sie vertraute völlig darauf, daß sie richtig von falsch unterscheiden könnte. Und sie hatte immer versucht, Bess zu etwas zu bewegen, das sie selbst für richtig hielt. Meistens konnte Bess damit umgehen. Aber Danzar hatte ihr schrecklich zugesetzt, und das hatte Emilys Beschützerinstinkt mobilisiert. Bess hätte sich von ihr fernhalten sollen, aber sie hatte Emily lange nicht gesehen.
    Und abgesehen davon liebte sie sie trotz allem.
    Jetzt war Emily mit ihrem Große-Schwester-Gehabe zu Höchstform aufgelaufen. Es wurde Zeit, das Thema zu wechseln, bevor sie noch tyrannischer wurde.
    »Emily, versuch doch mal, Tom mit deinem Handy zu erreichen. Rico sagt, wir werden sehr bald außerhalb der Reichweite irgendeiner Sendestation sein.«
    Wie erhofft, ließ Emily sich prompt ablenken. Ihr Mann Tom und ihre zehnjährige Tochter Julie waren der Mittelpunkt ihres Lebens. »Gute Idee«, sagte sie, nahm ihr Handy und wählte die Nummer. »Das ist vielleicht die letzte Gelegenheit. Sie fahren bei Tagesanbruch los
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