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Lemmings Himmelfahrt

Lemmings Himmelfahrt

Titel: Lemmings Himmelfahrt
Autoren: Stefan Slupetzky
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funktioniert, wie du dir das vorgestellt hast. Und hetzt mir   … und hetzt mir stattdessen   … diese stinkende Bullensau auf den Hals! Diesen Drecksfaschisten! Fünf Mal, verstehst du, gezählte fünf Mal hat das Mistschwein bei mir angeläutet! Und dann die ganze Nacht hindurch vor dem Haus im Auto gewartet. Und jetzt rat einmal, auf wen! Auf einen gewissen Herrn Wallisch vielleicht, der in der Zwischenzeit irgendwo durchgesoffen und sich im Selbstmitleid gesuhlt hat? Schau dich doch an, schau dich an, wie du daherkommst: wie ein Irrer, der grad aus der Anstalt entlaufen ist. Und was glaubst du, was passiert wär, wenn der Rolf nicht da gewesen wär? Ein Neun-Millimeter-Edelstahlklistier für die Frau Doktor Breitner, so wie voriges Jahr? War es das, was du wolltest? Ja? War es das?»
    «Du kannst dich ja neuerdings vor Männern gar nicht mehr retten», rutscht es dem Lemming heraus. Es tut ihm auf der Stelle Leid.
    «Verzeih   … Das war nicht so gemeint   …»
    Aber zu spät. Klara starrt ihn an, als sei er ihr mit einem Mal unendlich fremd geworden: Die Wut in ihren dunklen Augen erlischt. Was bleibt, ist eine große Traurigkeit.
    «Hör mir zu, Klara   … bitte. Lass uns das Ganze mit Anstand zu Ende bringen   … Ich bin nicht zum Streiten gekommen, verstehst du? Ich bin nur gekommen, um   … um einige Dinge zu klären. Also erstens: Der Krotznig wird dich nicht mehr belästigen. Nie wieder. Der Krotznig ist nämlich tot   …»
    Klara horcht auf. «Was soll das heißen?», fragt sie stirnrunzelnd. «Hast du ihn etwa   …?»
    «Nein. Du kannst es heute in der Abendzeitung lesen   … Aber ich bin auch deshalb nicht gekommen. Ich will einfach nur wissen   … warum.»
    «Warum was?»
    «Warum du   … warum du mit diesem   … mit diesem   …»
    Zügle dich, Lemming.
    «Also warum du dir mit diesem Rolf was angefangen hast   …»
    Sie dreht sich langsam um und setzt sich. Nimmt einen Schluck aus ihrer Tasse. Stützt dann gedankenverloren das Kinn in die Hände und meint: «Weißt, Poldi, du bist so ein Trottel   …»
    «Verstehe   … Herzlichen Dank für die akkurate Erklärung. Und warum Trottel?»
    Die Antwort kommt von hinten, von der Tür her.
    «Weil ich mit Frauen in dieser Hinsicht nichts anzufangen weiß, Herr Wallisch. Ich bin nämlich schwul, erzschwul, und zwar seit ich denken kann   …»
     
    Ein kleiner Ruck geht durch die Welt, als sie in ihre geordnete, zumindest in ihre
verständliche
Bahn zurückkehrt. Die Angst und die Verzweiflung, der Zorn und die Enttäuschung der letzten Tage, all das fällt mit diesem kleinen Ruck vom Lemming ab. So ähnlich, denkt er, muss sich ein echter Amnestiker fühlen, der seine Erinnerung wiederfindet   …
    «Du hast Recht, Klara   … Ich bin wirklich ein Trottel. Was für ein Trottel   … Entschuldigen Sie meinen Ausbruch, Herr Rolf, entschuldigen Sie tausendmal   …»
    Der Lemming hat schließlich auch eine Tasse Kaffee bekommen. Rolf hat Teewasser aufgestellt. Und dann haben sie sich an den Tisch gesetzt, um die Sache zu klären. Zuerst habenKlara und Rolf erzählt, und zwar ohne Sarkasmen und Spitzen. So hat sich, Schritt für Schritt, die ganze Geschichte zusammengefügt, bis alle Fragen beantwortet waren. Alle bis auf eine:
    «Warum bin ich nicht gleich darauf gekommen?», murmelt der Lemming. «Eine Gefälligkeit   … Nur eine Gefälligkeit   …»
    Am Montag hat Rolf den Zoo in Schönbrunn ein wenig früher verlassen und ist nach Hause gefahren, um dort seinen Freund zu überraschen: Die beiden hatten nämlich ihren Jahrestag. Unterwegs hat er noch rasch eine Flasche Sekt und einen Blumenstrauß gekauft.
    Die Überraschung ist mehr als gelungen. Rolf hat seinen Freund in der Badewanne gefunden, wo er sich gerade mit dem Nachbarn vergnügte   …
    Nach einer Nacht auf der Straße ist Rolf am Dienstag mehr als geknickt zur Arbeit erschienen, und Klara hat ihm sofort Asyl angeboten: Das Zimmer ihres Bruders steht bis auf weiteres leer; Max ist mal wieder auf Einkaufstour, auf Geschäftsreise, wie er es zu nennen beliebt. Man kann nie genau wissen, wann er wiederkommt oder ob er schon längst hinter Gittern sitzt, irgendwo in Tanger oder Istanbul   …
    Am selben Abend hat sich Rolf in der Roterdstraße einquartiert. Castro hat das offenbar gar nicht behagt; er hat knurrend und zähnefletschend sein Missfallen bekundet. Kein Zweifel: Der Hund ist demselben Irrtum erlegen wie später der Lemming   …
    «Und wie geht
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