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Lemmings Himmelfahrt

Lemmings Himmelfahrt

Titel: Lemmings Himmelfahrt
Autoren: Stefan Slupetzky
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Ende gesprochen.
Ich schwöre Ihnen   …
Das ist schon immer die Standardfloskel der Räuber, Mörder und Kinderschänder gewesen, damals schon, als er sich selbst, mit Fesseln und Dienstpistole bewaffnet, auf die tägliche Jagd nach Verbrechern gemacht hat.
    «Tun Sie uns beiden einen Gefallen, Herr Wallisch, und wehren Sie sich nicht. Falls Sie unschuldig sind, wird sich das früh genug herausstellen. Sie haben selbstverständlich das Recht zu schweigen, weiters das Recht auf einen Anwalt, einen Arzt und einen Anruf   …»
    «Danke», hat sie der Lemming unterbrochen, «der Herr Major hat mir meine Rechte schon erzählt   …»
    Handschellen also, und dann die unvermeidliche Leibesvisitation.Natürlich hatte der Lemming schon vorher mit dem Gedanken gespielt, der Polizistin das Buch zu geben, aber immer, wenn er kurz davor gewesen war, hatte es ihm eine innere Stimme verboten. Und nun hat sie es selbst gefunden.
    «Darf ich Sie fragen, was das ist?»
    «Nichts. Gar nichts. Nur ein Kalender   …»
     
    «Nur ein Kalender   … Ich verstehe nicht, dass Sie mir das nicht gleich gezeigt haben   …»
    Sie sieht den Lemming fragend an, senkt dann den Blick auf das Buch und fügt mit sanfter Stimme hinzu: «Doch   … Ich glaube, ich kann es verstehen   …»
    «Dann bin ich also wieder aus der Haft entlassen?»
    «Ja   … Solange Sie mich nicht
Mausi
zu nennen belieben.»
    Ein schmunzelnder Engel schwebt über die Lichtung, verschwindet zwischen den Bäumen.
    «Danke», sagt der Lemming. «Danke auch, dass Sie mir das Leben gerettet haben   …»
    «Bedanken Sie sich bei Professor Bernatzky. Ohne ihn wäre ich nicht so rasch bei der Kapelle gewesen   …»
    «Bernatzky?»
    «Bernatzky, ja. Er ist vor etwa einer Stunde in die Klinik gekommen, obwohl ich, um ehrlich zu sein, nicht genau weiß, wozu. Die Leute von der Spurensicherung waren längst fertig mit ihrer Arbeit, der Mann aus der Waschmaschine ist schon unterwegs ins Kühlhaus gewesen. Ich glaube, der Professor war ein wenig verärgert darüber, dass wir ihn nach dem Leichenfund nicht umgehend geweckt haben. Wir sind ihm im Foyer begegnet, der Herr Bezirksinspektor und ich. Sie können sich vielleicht vorstellen, in welcher Laune erst der Herr Bezirksinspektor war. Die halbe Nacht hindurch sind wir schon auf der Suche nach Ihnen gewesen: das Hauptgebäude, das Schwesternheim, den Pavillon unten im Süden,nichts, was wir nicht überprüft hätten, und alles zu zweit. Verstärkung anzufordern ist natürlich nicht infrage gekommen, Sie wissen schon, warum   … Wir sind also in der Eingangshalle gestanden, gemeinsam mit dem Herrn Professor, als plötzlich dieser Arzt aufgetaucht ist. Der Doktor Tobler   … Er hat sich höchst interessiert nach dem Stand der Ermittlungen erkundigt, hat dann den Herrn Bezirksinspektor zur Seite genommen und auf ihn eingeredet. Und plötzlich hat es der Herr Bezirksinspektor ziemlich eilig gehabt, obwohl er das augenscheinlich verbergen wollte vor dem Professor Bernatzky und mir. Er hat gemeint, er müsse noch rasch eine Kleinigkeit erledigen, und ist dann gemeinsam mit dem Arzt verschwunden. Dem Herrn Professor war die ganze Szene, glaube ich, nicht recht geheuer. Er hat mich am Arm genommen und gemeint, ich solle den beiden doch besser folgen, nur um sicherzugehen.
Bei so einem ausgefuchsten Kerl wie dem Wallisch
, hat er gesagt,
kann man gar nicht genug aufpassen
…»
    «Das hat er wirklich gesagt?», unterbricht der Lemming.
    «Das hat er gesagt.»
    Ein Lächeln huscht jetzt über Wilma Pollaks Lippen.
    «Aber zugegeben, er hat mich angezwinkert dabei   …», fügt sie hinzu. «Der Rest der Geschichte ist Ihnen ja weitgehend bekannt. Ich bin den beiden nachgelaufen, habe dann die Schüsse gehört und den ergreifenden Schlussmonolog des Doktor Tobler, und bin gerade noch rechtzeitig gekommen   …»
    «Um meinen Kopf zu retten   …»
    «Ja, auch das   … Und ihm den seinen   … zurechtzurücken. Für einen Warnruf ist mir keine Zeit mehr geblieben; er hatte die Waffe schon an Ihrer Schläfe, war schon im Begriff, Sie zu exekutieren   …»
    «Ja. Ich weiß   …»
    Eine Zeit lang herrscht Schweigen zwischen den beiden, eine Stille, die immer befangener, immer drängender wird, ein Schweigen, das förmlich danach schreit, gebrochen zu werden: Die eine, große Frage liegt in der Luft, und keiner möchte sie stellen. Es ist der Lemming, der sich dann doch dazu überwindet.
    «Das Buch   … Was geschieht
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