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Lektionen (German Edition)

Lektionen (German Edition)

Titel: Lektionen (German Edition)
Autoren: Madeline Moore
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sich gewünscht hatte.
    Sie rannte die Treppe wieder hinunter und warf fünfzig Cent in den Münzfernsprecher, ehe ihr klar wurde, wie spät es war. So viel Zeit hatte sie außer Haus vertrödelt, dass es nach zweiundzwanzig Uhr war, und ihre Mutter hatte ihr eingetrichtert, nach dieser Uhrzeit rufe nur ein Tölpel an. Aber hier ging es um Jack, ihren Liebhaber. Er würde sich gern von ihr stören lassen, selbst wenn er bereits schlafen sollte. Vielleicht träumte er ja von ihr und wäre wie sie überrascht und überglücklich, würde sein Traum wahr.
    Ein Anrufbeantworter schaltete sich ein. «Classique – bitte Nachricht hinterlassen.» Classique? Hörte sich nicht nach Internetfirma an, eher wie der Name einer Begleitagentur.
    Halb hatte sie schon mit so etwas gerechnet, wenngleich sie die Möglichkeit bis jetzt erfolgreich verdrängt hatte. Sie konnte sich ziemlich gut vorstellen, was deren Anliegen war. Ein Anteil an ihrem unwissentlich aus dem Beischlaf mit Jack erzielten Verdienst. Steckte sie irgendwie in Schwierigkeiten? Oder täte sie es, sobald sie eingestehen würde, alles bis auf den letzten Penny ausgegeben zu haben? Verdammt. Andererseits zahlten die Kunden ja womöglich im Voraus. Das würde bedeuten, das Geld im Umschlag war ausschließlich für sie bestimmt gewesen, und man könnte ihr keinen Strick daraus drehen. Vielleicht, nein, offensichtlich hatte Jack sich an die Agentur gewandt, um sie zu finden. Das ergab Sinn.
    Gegen zehn am nächsten Morgen rief sie wieder an und bekam dieselbe Ansage zu hören. Ihr dritter Versuch wurde von einer klaren Frauenstimme beantwortet.
    «Sarah Meadows. Ich habe eine Nachricht bekommen …»
    «Ja, Miss Meadows, meine Chefin, Miss Veronica Kane, würde sich sehr gern mit Ihnen treffen. Wann würde es Ihnen denn passen?»
    «Es gibt doch wohl kein Problem, oder?»
    «Problem? Nicht dass ich wüsste. Wann ist es Ihnen recht? Täglich zwischen Mittag und zehn Uhr abends ginge.»
    Sie einigten sich auf Donnerstag, neunzehn Uhr. Die Anschrift lautete: Prince Rupert Drive, Suite 1911, Imperial Building. Sarah kannte die Gegend in der Nähe der Westfield Franklin Park Mall, ihrem Lieblingsort für einen Schaufensterbummel. Das war beruhigend. Eine Adresse in irgendeiner verdreckten Slumgegend hätte sie verunsichert.

    Sie trug eine enge schwarze Hose und fürs eigene Selbstvertrauen ihren neuen Kaschmirpulli. Ein uniformierter Wachmann bat sie, sich einzutragen, und zeigte ihr den Weg zu den Aufzügen. Wieder war Sarah beruhigt. Weiße Sklavenhändler legten wohl kaum Wert darauf, dass man sich ins Gästebuch eintrug, ehe sie einen in irgendwelche fernöstlichen Bordelle verfrachteten.
    Der Aufzug war mit taubengrauer Moiréseide ausgeschlagen und rosafarben getöntem Spiegelglas verkleidet. Die Fahrstuhlmusik war Klassik. Der Prunk war einschüchternd, doch Sarah war gewappnet.
    Die Empfangsdame von Classique, die mit der klaren, wirkungsvollen Stimme, hatte Korkenzieherlocken, hellgraue Augen und hohe Wangenknochen. Sie begrüßte Sarah mit Namen und forderte sie auf, geradewegs ins Wartezimmer zu gehen und Platz zu nehmen.
    Vom Wartezimmer gingen drei Türen ab, die alle aus Milchglas mit eingeätzten herumtollenden nackten Sylphiden waren. Zwei der Türen waren dunkel, sodass Sarah hinter der dritten das Büro von Miss Kane vermutete. Sie konnte Stimmen hören, aber nichts verstehen. Die eine war tief, männlich und streng. Eine war ein Alt mit einem «mehr verletzten als zornigen» Tonfall, der Sarah an ihre Mutter erinnerte. Die dritte war eine hohe, aufbegehrende Stimme.
    Eine Pause trat ein, dann wieder Aufbegehren der hohen Stimme. Nach einer weiteren Pause wurde ein Klatschen laut. Befangen, aber doch unwiderstehlich neugierig schlich Sarah an die Tür, deren Angeln einen schmalen Spalt zwischen Glas und Rahmen ließen.
    Unmittelbar in ihrer Sichtweite stand ein Stuhl ohne Armlehnen. Ein gepflegt aussehender silberhaariger Mann hielt eine junge Frau über seinen Schenkeln fest. Ihr Gesicht war von Sarah abgewandt, ihr Rock bis zur Taille hochgeschoben und ihr Hintern entblößt. Eine Pobacke war knallrot. Die flache Hand des Mannes sauste kräftig auf die andere Pobacke nieder. Das Mädchen strampelte mit den Beinen und wimmerte, aber es half nichts. Wieder und wieder klatschte die Hand in stetigem Takt auf sie nieder.
    Aus der größeren Nähe konnte Sarah ihn nun «Zehn Minuten sind zu spät, zehn Minuten sind zu spät» sagen hören. Er wiederholte das
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