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Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Titel: Leichtmatrosen: Roman (German Edition)
Autoren: Tom Liehr
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Steuerstand unter Deck führte, verschwand im Halbdunkel und rief Sekunden später: »Meine Kabine!« Ich schulterte meinen Krempel und folgte ihm. Auf der rechten Seite befanden sich die Nassräume, links kurz hintereinander zwei siebziger-Jahre-mäßig ausgestattete Kabinen mit Doppelbetten, die mir verdammt kurz vorkamen. Im Bug lagen zwei Kabinen mit Etagenbetten nebeneinander, in einer davon drapierte Mark soeben einen Plüschpinguin auf dem unteren Bett. Er grinste, als er mich sah. Ich nickte und belegte anschließend die noch freie Doppelbettkabine; aus der vordersten steckte Henner seinen Kopf und nickte ebenfalls bedächtig. »Wir müssen zur Einweisung«, sagte er dann.
    »Einweisung!«, brüllte Mark von vorne.

    Im etwas muffigen, aber hellen Schulungsraum saßen vier Paare mit Kindern, eine Art Kegelgruppe – fünf Männer Ende vierzig –, zwei Frauen in den Fünfzigern, die ziemlich aufgeregt oder einfach nur hypernervös dreinschauten, und wir. Der braungebrannte Techniker von vorhin fläzte vorne auf dem Schreibtisch, ließ ein Bein baumeln und betrachtete uns wenig interessiert. Ich nahm an, dass ihm diese Nummer, die er pro Saison wahrscheinlich mehrere Dutzend Male zu absolvieren hatte, ziemlich auf den Zünder ging.
    »Wer von Ihnen sind die Schiffsführer?«, fragte er. Bei den Familien gingen synchron die Hände der Väter in die Höhe, die beiden Frauen sahen sich furchtsam an und vermieden eindeutige Signale, die Kegler prusteten los – und in unserer Reihe zeigten drei von drei Leuten an, diesen Posten für sich zu beanspruchen.
    »Ich sollte das tun«, zischte der Pfarrer leise, als er unsere gehobenen Hände sah.
    »Warum?«, zischte Mark fröhlich zurück.
    »Weil die Buchung auf meinen Namen läuft.«
    »Wir zahlen alle dasselbe.«
    Henner zog die Augenbrauen hoch. »Ich bin am verantwortungsbewusstesten.«
    »Verantwortungsbewusstesten«, wiederholte Mark grinsend. »Sagt man das so?«
    Der Einweiser-Techniker ignorierte uns. »Die Schiffsführer führen das Kommando und sind verantwortlich, aber Rudergänger kann jeder sein, der über sechzehn ist. Also« – er runzelte kurz die Stirn, als würde er nach dem richtigen Begriff suchen – »das Boot fahren.«
    Zwei männliche Jugendliche, die bis dato gelangweilt ihre Füße betrachtet hatten, drückten die Schultern durch. Das Frauenpärchen diskutierte weiterhin leise die Schiffsführerfrage; es machte den Eindruck, als wären beide lieber Passagiere.
    Der Vorturner stand auf und schlurfte zur Tafel. »Eigentlich müsste das hier drei Stunden dauern. Ausweichregeln, Befeuerung, Betonnung, Knotenkunde, Maschinenkunde, Verhalten im Notfall.« Er nahm eine Mappe zur Hand, die neben der Tafel lag. »Das steht aber alles im Bordbuch. Also, machen wir’s kurz. Wer von ihnen will zur Müritz?«
    Zwei Väter meldeten sich, Mark riss den Arm hoch und schnippte mit den Fingern. Der Einweiser nickte. Mark schnippte weiter, also fragte der andere: »Ja?«
    »Was ist das?«
    Zusammengezogene Augenbrauen. »Was ist was?«
    »Na, Müritz.«
    Enger zusammengezogene Augenbrauen. »Das größte Binnengewässer Deutschlands. Nordwestlich von hier. Ein See .«
    »Ein See«, wiederholte Mark.
    »Die Müritz und den Plauer See dürfen Sie nur am Rand der Betonnung über… – ja?«
    »Was ist Betonnung?«, fragte Mark. Henner schnaufte.
    »Fahrwassermarkierungen. Am linken …« Der Einweiser unterbrach sich und starrte Mark an, der wie ein Zweitklässler drängte, die nächste Frage zu stellen. »Hören Sie«, sagte er dann langsam. »Ich erkläre das kurz, den Rest lesen Sie im Bordbuch. Wichtig ist das alles nicht; das Revier wird fast ausschließlich von Leuten wie Ihnen befahren.« Er ließ keinen Zweifel daran, was er von Leuten wie uns hielt. »Rufen Sie hier an, bevor Sie auf die Müritz fahren. Und legen Sie Schwimmwesten an, das ist Pflicht. Ansonsten gibt es zwei wirklich wichtige Dinge, die Sie beachten müssen: Manövrieren Sie langsam. Sehr langsam. Und machen Sie nicht in Schleusen fest. Alles andere bekommen Sie dann automatisch mit.«
    Mark senkte seine Schnipphand langsam und sah uns grinsend an. »Was passiert, wenn man in Schleusen festmacht?«, fragte er unseren Pfarrer.
    »Man kommt nicht mehr los, vermute ich«, antwortete Henner und setzte seinen Namen bei »Schiffsführer« in das Formular, das vor ihm lag.
    Die praktische Einweisung verlief ähnlich. Ein junger Mann, der ein bisschen nach Bier roch, worum ich ihn kurz
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