Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leichensache

Leichensache

Titel: Leichensache
Autoren: Norbert Horst
Vom Netzwerk:
brauche um acht fünf Kollegen für ’ne Gegenüberstellung, so zwischen zwanzig und fünfunddreißig, mittelgroß.«
    »Um acht? Warum rufst du denn jetzt schon an?«
    Die Digitalanzeige auf dem Radiowecker zeigt 7.52 Uhr.
    »Ja, okay, meinetwegen auch nach acht, aber so schnell, wie es geht.«
    »Zum Spiegelsaal?«
    »Zum Spiegelsaal.«
    »Gut, ich schick sie sofort hoch.«
     
    Aus einer kleinen Spalte im Grau malen sich Sonnenstrahlen in den Dunst. Das ist ein Riss im Himmel, wo es so hell glänzt, dass wir Menschen nicht hineinsehen können. Hat Oma immer gesagt.
    Die Wolken reißen über den Dächern auf. Vielleicht bleibt’s ja einigermaßen trocken, wäre ganz gut für die TO-Arbeit.
    Der Typ ist es nicht, hab ich im Gefühl, schon die Klamotten stimmen nicht. So kann die sich nicht vertan haben. Aber Zeugenaussagen …
    Ulla kommt rein, fragt nach einer Zigarette.
    »Ich habe die unmittelbaren Nachbarn befragt, hat aber keiner was gehört oder gesehen.«
    »Hatte Atze schon was?«
    »Noch nichts Genaues, nur der eine Schuh scheint wirklich ganz interessant zu sein. Im ganzen Haus gibt’s keine Herrenschuhe, ’nen zweiten schon gar nicht.«
    »Aber wieso soll der vom Täter sein?«
    »Weiß ich auch nicht, ist nur auffallend. Der ED hat draußen schon angefangen, als der Lima-KW kam, war aber alles ziemlich nass.«
    Sie nimmt tiefe Züge, wirkt müde, trinkt einen Schluck Kaffee aus meiner Tasse. Sieht trotzdem gut aus, bisschen pummelig, aber ganz sexy. Ullas Mann war eigentlich noch nie hier. Sie scheint aber ganz zufrieden zu sein. Nur die roten Haare sind blöd; Rot bringt es nicht.
     
    Im Fahrstuhl riecht es nach Knoblauch. Vor der Tür zum ED stehen schon die Kollegen. Schmidt ist auch dabei. Wer sind denn die beiden Großen, noch nie hier gesehen? Wahrscheinlich Durchläufer. Sind vielleicht ein bisschen jung und zu groß, egal. Die Jungs machen alte Scherze, die Mörder melden sich zur Stelle und so.
    Der Tatverdächtige aus dem PG wird gebracht, sieht ziemlich beschissen aus, hat wahrscheinlich gepennt. Wieso haben sie dem nicht gesagt, dass der sich kämmen soll?
    »Da vorne ist ein Spiegel, da kannst du dich kämmen.«
    »Ich habe keinen Kamm dabei.«
    Wo kriegt man denn jetzt einen Kamm her? Er macht aber auf bemüht, heute Nacht war er noch wesentlich frecher.
    »Leg’s mit der Hand ein wenig zurecht.«
    Sieht immer noch beschissen aus, was soll’s.
    »Hol mal bitte die Zeugin aus der Kantine, am besten, ihr geht in die Fotostelle, ich hol euch dann.« Ulla geht los.
    Die sechs kriegen Nummerntafeln und stellen sich auf.
    Foto. Fertig.
    In der Fotostelle sitzt die Zeugin auf dem Schreibtisch, wirkt sehr aufgeregt. Sie raucht, zieht tief ein.
    »Kommen Sie, bitte.« Mann, ist die nervös.
    »Sie brauchen keine Angst zu haben, die Leute stehen hinter einer Spiegelscheibe und können Sie nicht sehen. Sie haben also keinen direkten Kontakt.«
    Sie nickt stumm. Ulla macht das Licht aus.
    Sie bleibt zwei Meter vor der Tür zum anderen Raum stehen, senkt den Kopf und sieht von unten auf das helle Viereck. Ihre Hände zittern deutlich, die Asche von ihrer Kippe fällt ab. Ganz kleine Schritte, Ulla hat die Hand auf der Schulter, schiebt sacht. Sie sieht durch die Scheibe, atmet dreimal sehr tief, schüttelt den Kopf. Sie schaut noch mal von rechts nach links.
    »Nein, von denen isses keiner, ne.«
    Hab ich mir gleich gedacht.
    »Sind Sie sich ganz sicher? Lassen Sie sich Zeit.«
    Noch mal von links nach rechts. Kopfschütteln. Ziemlich sicher.
    Ulla sieht rüber, macht ’ne enttäuschte Fratze, führt die Zeugin raus.
    »Einen Durchgang müssen wir noch, kommen Sie noch mal mit.«
    Tür auf.
    »So, noch mal dasselbe, bitte. Nehmt euch ’ne andere Nummer und stellt euch anders auf.« Der Typ hat ein großes Fragezeichen im Gesicht.
    »Wieso noch mal dasselbe, was ist denn nun Sache, äih?«
    »Na ja, wenn du morgen noch ’nen Bausparvertrag abschließen willst, würde ich den schon auf fünfundzwanzig Jahre anlegen.«
    »Das kann doch überhaupt nicht sein«, er schnappt nach Luft und kreischt, »nur weil ich da rumgelaufen bin …«
    »Reg dich ab, Junge, war nur ein Scherz. Sieht so aus, als ob du heute noch mal nach Hause darfst.«
    Er legt den Kopf schief, sieht aus zusammengekniffenen Augen rüber.
    »Starker Scherz, Bwana, echt starker Scherz. Aber mit so kleinen Arschlöchern könnt ihr’s ja machen.«
    Der Rest lacht. Schmidt kennt ihn von früher.
    »Ach, der Herr Deppe, plötzlich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher