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Leichenblässe

Titel: Leichenblässe
Autoren: Simon Beckett
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erfahren hatte. «Man wird klären müssen, wie ein Betrüger eine Anstellung im Leichenschauhaus bekommen konnte, aber gerechterweise
     muss man sagen, dass seine Bewerbungsunterlagen und Referenzen echt waren. Außerdem |408| war die Ähnlichkeit mit dem wahren Webster groß genug, um jeden zu täuschen, der sich nur auf alte Fotos beziehen konnte.»
    Das passte letztlich zu allem anderen, was er getan hatte. Der Mann, den wir als Kyle Webster gekannt hatten, hatte seine
     Freude an Täuschungsmanövern gehabt. Deshalb war es im Grunde keine Überraschung, dass er genauso leicht in das Leben eines
     seiner Opfer geschlüpft war wie in die Haut, die von ihren Händen abgefallen war.
    «Wenn er nicht Kyle Webster war, wer war er dann?», fragte ich.
    «In Wirklichkeit hieß er Wayne Peters. Er war einunddreißig Jahre alt und stammte ursprünglich aus Knoxville, hat aber zuerst
     in Nashville und dann in Sevierville als Assistent in Leichenschauhäusern gearbeitet, bis er vor zwei Jahren von der Bildfläche
     verschwand. Aber besonders interessant ist seine Jugend. Sein Vater war unbekannt, und seine Mutter starb, als er noch ein
     Baby war, sodass er von Tante und Onkel großgezogen wurde. Nach allem, was man hört, war er ein äußerst kluges Kind und ziemlich
     gut in der Schule. Er wollte sogar Medizin studieren. Aber dann ist alles schiefgegangen. Als er siebzehn war, hat er offenbar
     das Interesse verloren, wie die Schulzeugnisse zeigen. Er hat die nötigen Abschlüsse sausenlassen und schließlich im Familienbetrieb
     gearbeitet, bis der nach dem Tod des Onkels in Konkurs ging.»
    «Familienbetrieb?»
    «Sein Onkel hatte ein kleines Schlachthaus. Sie waren auf Schweinefleisch spezialisiert.»
    Ich schloss die Augen.
Schweine
.
    «Seine Tante war seine letzte verbliebene Angehörige, und sie starb vor einigen Jahren», fuhr Jacobsen fort. «Eines natürlichen
     Todes, soweit wir wissen. Aber Sie können sich |409| wahrscheinlich vorstellen, wo sie und sein Onkel beerdigt wurden.»
    Es konnte nur einen Ort geben.
    Steeple Hill.
    Jacobsen gab mir noch eine weitere Information. Aus Wayne Peters’ medizinischen Unterlagen ging hervor, dass ihm als Jugendlichem
     die Polypen entfernt worden waren. Die Operation war zwar erfolgreich gewesen, aber das wiederholte Ausbrennen hatte eine
     Anosmie verursacht. Für die Mordfälle hatte sie keine Bedeutung, es beantwortete jedoch die Frage, die Gardner im Bad von
     Cedar Heights gestellt hatte.
    Wayne Peters hatte keinen Geruchssinn.
    Noch lief die Ermittlung im Sanatorium, für die das gesamte Grundstück umgegraben wurde, um sicherzustellen, dass nicht noch
     mehr Leichen verborgen waren. Doch meine eigene Rolle dort hatte sich nach dem ersten Tag erschöpft. Schon da hatten sich
     nicht nur weitere Mitarbeiter der Body Farm an den Arbeiten beteiligt, das Ausmaß der Ermittlung hatte es auch erfordert,
     dass die regionale Abteilung des Katastrophenschutzes hinzugezogen wurde, die dafür ausgerüstet war, vor Ort Untersuchungen
     und Autopsien durchzuführen. Weniger als vierundzwanzig Stunden nachdem Paul und ich durch den Zaun geklettert waren, herrschte
     in dem ehemaligen Sanatorium und auf dem Grundstück hektische Betriebsamkeit.
    Man hatte mir höflich für meine Hilfe gedankt und gesagt, dass man sich bei mir melden würde, wenn meine Anwesenheit trotz
     der Aussage, die ich bereits abgegeben hatte, erforderlich war. Als ich an den zahllosen Fahrzeugen der Fernsehanstalten und
     Presseleute vorbeigefahren worden war, die vor den Toren des Sanatoriums Stellung bezogen hatten, |410| hatte ich sowohl Erleichterung als auch Bedauern empfunden. Es kam mir falsch vor, eine Ermittlung auf diese Weise zu verlassen.
     Aber dann erinnerte ich mich daran, dass es im Grunde nicht meine Ermittlung war.
    Sie war es nie gewesen.
    Ich war darauf vorbereitet gewesen, meinen Aufenthalt in Tennessee entweder bis zu Toms Gedenkfeier auszudehnen oder später
     dafür zurückzukommen. Aber am Ende war beides nicht nötig gewesen. Da Tom ungeachtet der Faktoren, die dazu beigetragen hatten,
     im Krankenhaus eines natürlichen Todes gestorben war, hatte man auf eine Untersuchung verzichtet. Ich war Marys wegen froh,
     obwohl dadurch das Gefühl zurückblieb, eine Sache nicht zu Ende geführt zu haben. Aber bei welchem Tod war das anders?
    Tom war nicht beerdigt worden, denn er hatte seine Leiche der medizinischen Forschung gestiftet. Allerdings nicht der Body
     Farm. Das wäre für
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