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Leiche in Sicht

Leiche in Sicht

Titel: Leiche in Sicht
Autoren: Nancy Livingston
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Zeit
gefunden, aber ihre Leichen sind nie geborgen worden, doch das war auch nicht
zu erwarten.»
    Mr. Pringle sank der Mut. «Nun, ich
hoffe, wir haben dieses Wochenende Glück, und es weht nur ein laues Lüftchen»,
sagte er mit forcierter Leichtigkeit, um die gedrückte Stimmung wieder etwas zu
beleben. Elizabeth sah ihn überrascht an.
    «Hat Matthew es Ihnen denn noch nicht
gesagt? Es soll Sturm geben.»
    Sie holten Elizabeths Wagen, den sie in
der Nähe von Regent’s Park abgestellt hatte. Matthew übernahm das Steuer. Mr.
Pringle saß im Fond und döste vor sich hin. Die jungen Leute unterhielten sich
über Winde und Gezeiten, doch weder das eine noch das andere klang ermutigend,
und so versuchte er, möglichst nicht hinzuhören. Matthews Benehmen gegenüber
Elizabeth beunruhigte ihn. Nutzte sein Neffe sie aus? Profitierte er auf
irgendeine Weise von ihrem offensichtlichen Reichtum? Er hoffte, nicht. Seines
Wissens hatte es ein Pringle bisher nie nötig gehabt, als Gigolo zu leben.
    An einer Tankstelle hielten sie an.
«Die letzte Gelegenheit, ein ordentliches Klo aufzusuchen, Onkel, an Bord gibt
es nur die Pütz», sagte Matthew. Solchermaßen vorgewarnt, verschwand Mr.
Pringle in einer der Kabinen. Heute nacht würde er also auf einem Schiff
schlafen; es war ein aufregender Gedanke.
    Während sie durch Portsmouth fuhren,
verspürte er beim Anblick der eleganten Villen plötzlich so etwas wie neuen
Mut. Vielleicht war das gemietete Boot eine schnittige Yacht, auf ihre Art
ebenso komfortabel wie der Mercedes, in dem er hier chauffiert wurde. Doch die
Villen wurden spärlicher, sie gelangten in häßliche Vororte mit den typischen
tristen Doppelhäusern. Matthew hielt an. Sie waren am Ziel.
    «Hast du einen Anorak mit?» Mr. Pringle
schüttelte den Kopf. Erst jetzt fiel ihm wieder ein, daß Mrs. Bignell ihm
dringend geraten hatte, etwas einzupacken, das ihn gegen Wind schütze. Mit
wachsendem Unbehagen sah er zu, wie Matthew und Liz sich ein Kleidungsstück
nach dem anderen überzogen. Ihm wurde ganz mulmig. Das Boot würde doch wohl
eine Heizung haben? Obwohl er sich im Windschatten des Wagens hielt, hatte er
das Gefühl, als dringe ihm der scharfe Ostwind noch unter die Haut. Die Augen
tränten ihm. Das Donnern der sich brechenden Wogen war ohrenbetäubend. Beinahe
ehrfürchtig beobachtete er, wie die zurückflutenden Wassermassen jedesmal eine
Unmenge Sand und Steine mit sich fortrissen. Auf der gegenüberliegenden
Straßenseite saßen die Leute in ihren Wohnzimmern vor dem Fernseher und
genossen einen gemütlichen Abend. Wäre er doch bloß auch vernünftig gewesen und
zu Hause geblieben, dachte Mr. Pringle. Was hatte ihn bloß geritten, sich auf
dieses Abenteuer einzulassen?
    «Können Sie mir tragen helfen?» fragte
Elizabeth. Über und über beladen, trottete er blindlings hinter ihr her, seine
Segeltuchtasche über der einen, Matthews Fernglas über der anderen Schulter,
und auf den Armen einen schweren Karton mit Essensvorräten. Vom Wind gebeutelt,
stolperten sie eine schmale Mole entlang, weiter und immer weiter hinaus auf
das tobende Meer.
    «Vorsicht, Stufen!» schrie sie ihm
plötzlich zu.
    «Wo?» Im Licht ihrer Taschenlampe sah
er eine kleine Treppe, die zu einem kleinen Beton-Ponton hinunterführte, der
sich unter der Gewalt der andrängenden Wogen hob und senkte. Mit einem Gefühl,
das nahe an Panik grenzte, sah er ihr zu, wie sie mit einigen wenigen
geschickten Griffen an dem auf dem Ponton vertäut liegenden Schlauchboot einen
Außenbordmotor anbrachte. Diese Nußschale sollte er besteigen?
    «Können Sie mir helfen, es zu Wasser zu
lassen? Und was auch passiert: Auf keinen Fall loslassen!» Du liebe Güte! Das
hieß, daß er mit beiden Händen in das eiskalte Wasser würde fassen müssen.
Unvermutet tauchte auf einmal Matthew aus der Dunkelheit neben ihm auf und
drückte ihm ein Paar Gummistiefel in den Arm: «Zieh die an, die halten die Füße
trocken.»
    Mr. Pringle setzte sich, um sich die
nagelneuen Segelschuhe aufzubinden. Wenn er auch nur die geringste Ahnung
gehabt hätte, was ihn hier erwartete...! Eine eiskalte Welle klatschte auf den
Ponton und umspülte seinen Hintern. Auf trockene Füße kam es nun auch nicht
mehr an.
    Sie bedeuteten ihm, daß er gleich beim
erstenmal mit übersetzen solle. «Du gehst schon an Bord, was hier noch zu holen
ist, holen wir», brüllte Matthew. «Du kannst ja schon deine Sachen auspacken.»
    Der Wind hatte zugenommen, und das
Dingi war
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