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Leiche in Sicht

Leiche in Sicht

Titel: Leiche in Sicht
Autoren: Nancy Livingston
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vollgeschlagen. Seine rote Segeltuchtasche schwamm im knöcheltiefen
Wasser, er setzte sich auf sie, inzwischen naß bis auf die Knochen. Liz reichte
ihm die Taschenlampe, damit er ihnen den Weg leuchte — ein kleines
Lichtpünktchen inmitten unendlicher Schwärze.
    Sie fuhren hinaus aufs Meer, von jeder
Woge angehoben, um gleich wieder in den Abgrund eines Wellentals gestürzt zu
werden. Sie würden alle drei ertrinken! Noch nie hatte Mr. Pringle solch
überwältigende Angst verspürt. Er lehnte sich zur Seite und erbrach.
    Danach stellte er sich tot. Elizabeth
steuerte das Dingi mit energischen Paddelschlägen auf einen dunklen Schatten
zu: die Yacht. Sie schob ihn eine Leiter hinauf. In der Plicht ließ er sich in
eine Ecke sinken, während sie daranging, die Sachen zu verstauen, und den Ofen
und die Lampen anzündete. Als sie fertig war, zog sie ihn hinter sich her in
die Kabine hinunter.
    «Ziehen Sie sich etwas Trockenes an.
Morgen besorgen wir Ihnen Ölzeug, und trinken Sie das hier.» Es war ein
Wasserglas voll Brandy. Er leuchtete wie flüssiges Gold. Ihm fiel auf, daß
Elizabeth, seit sie an Bord der Yacht war, völlig verändert wirkte — jede Scheu
und Zögerlichkeit waren von ihr abgefallen. Mr. Pringle begann sich
auszuziehen.
    Sie schob eine Kasserolle in den Ofen.
Der Duft von Gewürzen und geschmortem Fleisch machte ihm plötzlich bewußt, wie
hungrig er war.
    «Sie können noch mehr Brandy haben — wenn
Sie angezogen sind», sagte Elizabeth. Er blickte verblüfft an sich hinunter.
Gütiger Himmel! Hier saß er, mit nichts als einer Unterhose und einem Unterhemd
bekleidet, und dabei hatten sie sich erst vor wenigen Stunden kennengelernt.
Verlegen griff er nach einem Handtuch.
    «Ich bin in zwanzig Minuten wieder da»,
sagte sie und rammte die Setzborde in die Nut. Er war allein.
    Den Pullover überzustreifen bereitete
ihm weiter keine Schwierigkeiten, doch mit den Hosen sah es anders aus.
Schließlich löste er das Problem, indem er sich auf den Boden legte und mit
beiden Beinen zugleich in die Hose fuhr, wie er es sonst machte, wenn er in
seinen Pyjama stieg. Über seinem Kopf schaukelte bedrohlich der frei beweglich
aufgehängte Kocher. Zu bleiben, wo er war, schien ihm am sichersten. Er packte
seine Segeltasche aus, indem er jedesmal, wenn sie infolge einer Bootsbewegung
in seine Nähe rutschte, etwas herausnahm. Doch irgendwann kippte sie um, und
ihr Inhalt lag über den Boden verstreut. Auf den Knien rutschend, sammelte er
seine Habseligkeiten wieder ein. Die Yacht legte sich einmal zur einen, einmal
zur anderen Seite, und Mr. Pringle rollte hilflos von Backbord nach Steuerbord
und wieder zurück, bis er sich schließlich auf die Kiste mit Essensvorräten
flüchtete, die Elizabeth in einer Koje verstaut hatte.
    Nach ein, zwei Minuten dämmerte ihm,
daß sie offenbar beim Einpacken von Lebensmitteln demselben System folgte wie
er selbst, nämlich die weniger festen Sachen wie Eier, Butter und Joghurt nach
oben zu legen. Er nahm sich vor, gleich morgen früh zum Einkaufen loszugehen,
um den Schaden wiedergutzumachen, und seine Hose reinigen zu lassen, da hob
sich das Boot, und deprimiert erinnerte er sich, wo er war.
    Da er nicht länger im Feuchten sitzen
bleiben wollte, machte er sich auf die Suche nach einem Aufnehmer, um den Boden
aufzuwischen. Es schien ihm, als treibe die Yacht ein Spielchen mit ihm, denn
genau in dem Augenblick, wo er nicht achtgab, vollführte sie eine unerwartete
Bewegung, und er verlor das Gleichgewicht. Im Taumeln griff er nach dem
nächsten Schott. Da klappte die Schott-Tür plötzlich zu und klemmte ihm die
Finger ein. Der Schmerz ließ nur Raum für den einen Gedanken: etwas zu finden,
um die Pein zu lindern. Gleichzeitig verspürte er das dringende Bedürfnis, ein
Klo aufzusuchen.
    Neben dem winzigen Toilettenbecken hing
ein Zettel mit genauen Anweisungen. Vorsichtig geworden, hockte er sich davor
und nahm sich Zeit, sie genau durchzulesen. Er seufzte resigniert. Vier Fünftel
der Erdoberfläche waren von Wasser bedeckt, und er hatte nichts weiter vor, als
dieser unermeßlichen Menge einen lächerlichen halben Liter hinzuzufügen, aber
wenn man den Instruktionen hier Glauben schenken durfte, so genügte eine falsche Bewegung, und er verschmutzte die gesamte englische Kanalküste. Die
zweite schreckliche Möglichkeit war, daß, wenn er schlecht zielte, sein Urin in
der Bilge landete und er zum Spott der Mannschaft wurde.
    Plötzlich schien ihm der Boden unter
den
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