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Leiche in Sicht

Leiche in Sicht

Titel: Leiche in Sicht
Autoren: Nancy Livingston
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Man
konnte nicht, wie er erfuhr, ohne weiteres lossegeln, in der Hoffnung, schon
irgendwie anzukommen. Gemessen an der Luftlinie mochte die Isle of Wight nicht
weit sein, aber ein Segler hatte eine Menge Widrigkeiten in Betracht zu ziehen.
    «Winde, Gezeiten,
Unterwasserhindernisse und Sandbänke», erklärte Frank. «Sie möchten doch nicht,
daß wir auf Grund laufen, oder?» Mr. Pringle fand insgeheim, daß auf Grund
laufen auch nicht soviel schrecklicher sein könne als Segeln, aber er sagte
nichts, sondern ging an Deck, um aus dem Weg zu sein.
    Kurz darauf kam auch Liz hoch, einen
Segelsack hinter sich herschleppend. Sie schien den Aufenthalt an Bord zu
genießen. Der kalte Wind hatte ihre Wangen gerötet, aber sie sog die Luft in
tiefen Zügen ein. «Ist es nicht herrlich hier draußen? In London habe ich immer
das Gefühl zu ersticken.» Während sie behende hin und her lief, gestand sich
Mr. Pringle, daß er wohl doch eher Straßenpflaster und Benzindunst für sein
Wohlbefinden brauchte.
    «Ich fürchte, Matthew hat sich mit mir
den Falschen ausgesucht. Ich bin fürs Segeln nicht geeignet.»
    «Ach, machen Sie sich darüber keine
Sorgen. Sie kriegen den Dreh schon noch raus.» Es klang nicht sehr überzeugt.
    «Aber ich mache mir nun einmal
Sorgen», beharrte Mr. Pringle. «Wenn wir in Griechenland sind und es keinen
Frank gibt, der euch hilft, wie wollt ihr da zurechtkommen? Ich bin nicht zu
viel nütze.»
    «Na, immerhin könnten Sie mich retten,
wenn ich über Bord fiele», sagte Elizabeth leichthin. «Sie können doch schwimmen,
oder?»
    «Ja, natürlich. Sie doch sicher auch?»
    «Nein, Vater hat nicht gewollt, daß ich
es lerne. Er sagte, die besten Seeleute seien die, die nicht schwimmen könnten.
Er und Mutter waren auch Nichtschwimmer. Vater war der Ansicht, es verlängere
nur den Todeskampf, wenn doch einmal einer von ihnen über Bord gehen sollte.
Und trotz allem, was passiert ist, denke ich imitier noch, er hatte recht.»
Ihre Stimme zitterte ein wenig, doch sie fuhr fort: «Außerdem kann ich
natürlich ein wenig paddeln, und ich trage auch immer eine Schwimmweste. Und im
übrigen sehe ich mich sehr vor, damit ich gar nicht erst über Bord gehe.»
    Mr. Pringle blickte düster auf die
unruhige See. Er würde in jedem Fall versuchen, sich so lange wie möglich über
Wasser zu halten, und darauf hoffen, daß jemand vorbeikam und ihn auffischte.
Die Ozeane wimmelten schließlich von Yachten. Wenn er Glück hatte, geriet er
vielleicht sogar an eine einsame Seglerin...
    Frank zog die Sicherheitsgurte so
stramm an, daß er das Gefühl hatte, keine Luft mehr zu bekommen, und hängte ihn
dann mittels eines Karabinerhakens an.
    «Was immer auch geschieht», sagte Frank
in befehlsgewohntem Ton, «keiner handelt auf eigene Faust. Wenn ich brülle,
dann springt ihr, verstanden? Ein Boot ist nicht der Ort, um Demokratie zu
praktizieren, und auf dieser Yacht bin ich derjenige, der das Sagen hat. Und
jetzt — Leinen los!»
    Unten ließ Elizabeth den Motor an,
Frank stand am Ruder und nahm Gas weg, oben an Deck löste Matthew die Vorleine
von der Boje. Green Timbers II manövrierte langsam aus dem Windschatten
des Zerstörers und fuhr auf die offene See hinaus. Den armen Mr. Pringle traf
die erste von unzähligen Wellen, die noch kommen sollten.
    Er zählte bald nicht mehr, wie oft er
sich erbrach. Den Unterschied zwischen Luv und Lee hatte er zwar grundsätzlich
begriffen, aber die richtige Orientierung erfolgte immer um den Bruchteil einer
Sekunde zu spät. Keine Reinigungsfirma der Welt würde nun noch bereit sein,
seine Flose anzunehmen, da war er sicher. Das Wasser rann ihm das geborgte
Ölzeug hinunter und in die Gummistiefel. Die Gläser seiner Brille waren
salzverkrustet. Als Frank ihm befahl, die Pinne zu übernehmen, hatte er Mühe,
den Kompaß zu erkennen.
    Der Wind frischte auf. Sie refften das
Großsegel, bis nur noch ein schmales Dreieck übrig war, das unter den wütenden
Angriffen des Sturmes schmerzlich ächzte. Ungeachtet der ihm wiederholt
gegebenen Erklärungen, begriff Mr. Pringle beim besten Willen nicht, warum es
nötig war, bei einem solchen Wetter auf dem Solent zu kreuzen. Wenn es nach ihm
gegangen wäre, hätte man der ganzen Quälerei so schnell wie möglich ein Ende
gemacht.
    Über ihnen kreischte höhnisch eine
Möwe, und Frank schrie, er solle gefälligst seine Augen auf den Horizont
richten, was nach Pringles Ansicht absoluter Blödsinn war, da es so etwas wie
einen Horizont gar
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