Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena
Autoren: du hättest vergessen Du dachtest
Vom Netzwerk:
Wimpern?
    »Du bist natürlich eine Christin von der Sorte, die auch ohne das Amen der Kirche mit einem Mann ins Bett steigt«, schnaubte ich. Auli lachte wieder auf, doch es klang unsicher.

    »Was das Amen betrifft, bin ich mir nicht sicher, aber jedenfalls habe ich nicht die Angewohnheit, beim ersten oder zweiten Rendezvous mit irgendwem ins Bett zu gehen.«
    »Hast du seit dem Tod deines Mannes mit jemandem geschlafen?«
    »Ich glaube nicht, dass ich dir darauf antworten muss.« Alle Freude war aus ihrem Gesicht gewichen, und ich war zufrieden.
    »Natürlich brauchst du nicht zu antworten. Ich fürchte nur, du hast mich falsch verstanden. Ich hatte eine Schreibhemmung, da tat es mir gut, wenigstens E-Mails zu verfassen. Jetzt läuft es wieder, also habe ich keine Zeit mehr, dir zu schreiben.«
    Auli wusste, dass ich schon seit März an meinem neuen Roman arbeitete, erhob jedoch keinen Widerspruch. Ich sagte, ich müsse zur Toilette. Meine Jacke ließ ich über dem Stuhl hängen, es war ein hässliches, unter den Armen eingerissenes Ding, das ich nie gemocht hatte. Ich verließ das Restaurant durch den Hintereingang. Das war ein Trick, den Frauen manchmal anwandten, aber ich war nun mal ein unmännlicher Mann.
    Nachdem ich im nächsten Kaufhaus eine neue Jacke erstanden hatte, trank ich mir am Busbahnhof einen soliden Rausch an. Im Bus schlief ich ein und wurde erst wieder wach, als der Busfahrer mir ins Ohr brüllte:
    »He, Sie wollten doch in Degerby aussteigen.«
    Es regnete noch immer, der Weg war völlig aufgeweicht. Mein Fahrrad und ich waren uns uneins, wir trennten uns immer wieder voneinander und warfen uns gegenseitig um. Ulla empfing mich knurrend, und das rote Lämpchen am Anrufbeantworter blinkte böse. Ich nahm mir vor, am nächsten Morgen herauszufinden, wie man Nachrichten löscht, ohne sie anzuhö-
    ren.

    Das einzig Gute an unerträglichen Tagen ist, dass sie nicht endlos dauern. Jeder Tag hat nur vierundzwanzig Stunden, und wenn man betrunken ist, geht die Zeit schon herum. Eine derartige Saufsträhne hatte ich mir noch nie geleistet: täglich literweise Bier, etwas Stärkeres gab es am Kiosk in Degerby nicht. Ich zerschlug den Anrufbeantworter, als ich Saras Stimme hörte. Clasu kam ab und zu vorbei und sah nach, ob wir genug zu essen hatten.
    Nach einigen Tagen konnte ich nicht mehr. Ich stöpselte das Telefon wieder ein, steckte meine Kleidung in die Waschmaschine, heizte die Sauna und radelte zum Einkaufen ins Kirchdorf. Das Leben kehrte in seine alten Bahnen zurück. Ich wagte es sogar, den Computer einzuschalten und zu schreiben, fasste aber erst nach einem weiteren Tag den Mut, in meine Mailbox zu schauen.
    Die Nachricht war kurz und voller Würde. Auli schrieb, sie sei froh, mich kennengelernt zu haben, wolle mir ihre Freundschaft aber nicht aufdrängen. Das war alles. Keine Beschimpfungen, kein Gejammer, nicht einmal versteckte Andeutungen. Ich druckte die Mail aus, bevor ich sie löschte, vielleicht konnte ich sie irgendwann einmal in einer Erzählung verwenden.
    Am Samstag vor dem Muttertag schaute ich wieder bei Kaitsu vorbei. Wir vereinbarten, dass er am nächsten Wochenende zu mir kommen würde. Ich sagte drohend, dann müsse er mir aber beim Holzhacken helfen, denn das sei im Sitzen ohne weiteres möglich. Es fiel ihm noch schwer, an Krücken zu gehen, aber er versuchte es wenigstens. Ulla, die ich ausnahmsweise mitgenommen hatte, schnappte nach den Rocksäumen der Schwestern und nuckelte an Katjas Finger. Katja hatte ich seit ihrer Geburtstagsparty nicht mehr gesehen. Sie strahlte in einer Art, die mich entzückte und mir zugleich Angst einjagte. Nachdem wir uns von Kaitsu verabschiedet hatten, schlug ich ihr vor, einen Kaffee trinken zu gehen. Katja wollte mit ihrem Freund zu einem Rockfestival, hatte aber noch eine Stunde Zeit. Wir setzten uns auf die gerade erst eröffnete Terrasse des Bahnhofsrestaurants, weil ich dort meinen Hund mitnehmen konnte.

    »Dir geht es also gut?«, erkundigte ich mich und registrierte die Blicke, mit denen man uns musterte. Ein Mann mittleren Alters und eine bildhübsche junge Frau, die ihm nicht gehörte.
    »Überwiegend. Ich habe noch immer keinen Job, abgesehen von den Musikkritiken, aber im Juni bekomme ich mein Magisterdiplom. Das Institut hat mir für das Herbstsemester einen Lehrauftrag versprochen, und ich beantrage pausenlos Forschungsstipendien. Bisher allerdings erfolglos. Außerdem haben wir unsere Band, und dann ist da natürlich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher