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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena
Autoren: du hättest vergessen Du dachtest
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aus?«
    Ich starrte wütend auf die Nachricht und beschloss, die Entscheidung auf den nächsten Morgen zu verschieben. Im Traum lag ich mit Auli im Bett, was die Sache nicht leichter machte.
    Gegen sieben weckte mich Ullas Winseln. Ich musste aufstehen und sie hinauslassen, hatte aber teuflische Kopfschmerzen und war innerlich zerrissen. Daher legte ich mich noch einmal ins Bett, konnte aber nicht mehr einschlafen und verfluchte alle Frauen und Hunde. Nachdem ich mich mit Brei und Schmerztabletten gestärkt hatte, machte ich einen Spaziergang. Die Erde grünte, und die Bäume strotzten vor frischen Trieben. Das Gelb des Huflattichs wirkte geradezu aufreizend.
    Alles hatte einmal ein Ende. Natürlich konnte ich die absurde Mail-Romanze mit einer frommen Mutter von drei Kindern nicht ewig weiterführen. Ob Auli unsere Korrespondenz als Romanze betrachtete, wusste ich zwar nicht, aber für mich war sie dazu geworden. Auf keinen Fall würde ich nach Helsinki fahren. Stattdessen wollte ich Auli mitteilen, dass mit dem Mailen jetzt Schluss war. Sie hatte inzwischen bestimmt genug Material für ihre Magisterarbeit beisammen.

    Ulla lief mir zum Ufer voran. Ich warf einen Stock ins Wasser, und sie stürmte hinterher, wobei sie ein Schwanenpaar auf-scheuchte. In ein paar Tagen war der Erste Mai. Könnte Auli nicht hierbleiben und mit mir feiern? Ach nein, ihre Kinder warteten ja auf sie. Das Jüngste trug denselben Namen wie mein Hund.
    Ich drehte und wendete das Problem hin und her, obwohl ich wusste, dass meine erste, instinktive Entscheidung die richtige gewesen war. Als ich versuchte, meine Ängste zu verlachen, war mir erst recht zum Weinen zumute, und dass ich wegen einer Frau weinte, kam nicht in Frage. Ich blieb am Ufer, bis Ulla vor Hunger winselte. Auch mir knurrte der Magen. Es waren noch Schweinekoteletts da, zu denen ich Kartoffeln briet.
    Als das Telefon klingelte, hatte ich mich noch immer nicht zu einem endgültigen Entschluss durchgerungen. Natürlich war es Auli, die anrief und ein Treffen im Bahnhofsrestaurant vorschlug. Vor lauter Verblüffung versprach ich, am nächsten Tag um fünf Uhr dort zu sein, und verbrachte den Rest des Abends damit, über mich selbst zu fluchen. Am nächsten Morgen versuchte ich zu schreiben, doch es fiel mir schwer, und die Stunden wollten nicht vergehen. Ich bügelte mein Hemd und überlegte dabei, ob ich das Bügeleisen nach Mutters Beerdigung je wieder benutzt hatte.
    Der Bus kam langsamer voran, als der Fahrplan behauptete, er stand ein paarmal im Stau. Als er schließlich durch die Innenstadt zockelte, spielte ich mit dem Gedanken, auszusteigen und den restlichen Weg zu Fuß zu gehen, aber es hatte angefangen zu regnen, und einen Schirm hatte ich natürlich nicht dabei. An der Endhaltestelle fand der Bus keinen Platz zwischen seinen Artgenossen. Schließlich betrat ich völlig durchnässt und mit fünfzehn Minuten Verspätung das Bahnhofslokal. Zuerst konnte ich Auli nirgendwo entdecken. Dann sah ich sie an einem Tisch mit zwei anderen Frauen. Sie winkte, nahm ihr Glas und kam auf mich zu. Ihre Hüften waren runder, als ich sie in Erinnerung hatte, die hellblaue Hose saß hauteng. Die Schlüsselbeine ragten aus dem Ausschnitt hervor wie Rote Bete aus der Erde, sie verlockten dazu, ihnen unter die Bluse zu folgen.
    »Ich dachte schon, du hättest es dir anders überlegt«, sagte Auli.
    »Hab ich nicht«, antwortete ich und wünschte, ich hätte es getan.
    »Schön, dich zu sehen«, fuhr sie fort. Ich hatte Angst, sie würde weitere Banalitäten von sich geben. Wir setzten uns an einen Tisch, ich bestellte ein Bier. Auli fragte, ob an der Küste schon die Krokusse blühten. Ich sagte, das wisse ich nicht, denn in meinem Garten hätte ich keine gepflanzt. In Iisalmi wurden die Bäume bereits grün, erfuhr ich.
    »Wie geht es deinem Neffen?«, fragte sie dann.
    »Ganz gut. Es fällt ihm schwer, die Finger von den hübschen Krankenschwestern zu lassen.«
    Das war ein Test. Wenn Auli Entrüstung zeigte, war alles leichter. Aber nein, sie lachte über meine Bemerkung. Ihr Lachen war wie das Gurren einer Taube in einer lauen Früh-lingsnacht.
    »Findest du das nicht unmoralisch?«, versuchte ich sie zu provozieren.
    »Dass ein junger Mann eine Frau begehrt? Natürlich nicht.
    Das zeigt doch, dass seine Lebensfreude allmählich zurück-kehrt.«
    Wieder dieses Lachen und die zu Schlitzen verengten Augen.
    Wie mochten sie aus allernächster Nähe aussehen, wonach schmeckten ihre
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