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Lebenslänglich

Lebenslänglich

Titel: Lebenslänglich
Autoren: Liza Marklund
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Schmerzen reagieren. Es ist nicht schlimm.»
    Er beugte sich über sie und stemmte sich auf ihr Brustbein. Julias Gesicht verzerrte sich, und sie schrie auf.
    «So, schon vorbei», sagte der Arzt und notierte etwas auf seinem Schreibblock. «Nur noch ein EKG, und dann lasse ich Sie in Frieden …»
    Er befestigte ein paar Elektroden auf Julias Brust und breitete dann eine große Decke über sie.
    «Können Sie bei ihr bleiben?», fragte er Nina.
    Nina nickte.
    «Halten Sie ihre Hand, streicheln Sie sie und sprechen Sie mit ihr.»
    Nina setzte sich auf die Pritsche und nahm Julias Hand. Sie war feucht und kalt. «Was hat sie?»
    Wenn sie nur nicht stirbt! Sag, dass sie nicht stirbt!
    «Sie befindet sich in einem psychotischen Schockzustand», sagte der Arzt. «Manchmal bleiben sie so, stumm und gelähmt. Hören auf zu essen und zu trinken. Man kann ihnen in die Augen sehen, aber sie merken nicht, dass man da ist. Das Licht brennt, aber es ist keiner zu Hause.»
    Er sah Nina kurz an und dann hastig wieder weg.
    «Keine Angst», sagte er. «Es geht bestimmt vorbei.»
    Es geht vorbei? Wird alles wieder wie immer?
    Nina starrte auf das bleiche Gesicht ihrer Freundin, die blonden Wimpern, die Haarlocken. Das Blut im Gesicht war getrocknet und dunkler geworden. Bruchstücke ihrer letzten Begegnung liefen wie kurze Filmsequenzen in ihrem Kopf ab.
    Ich halte es nicht länger aus, Nina. Ich muss was unternehmen.
    Sag doch, was ist denn passiert?
    Julia hatte resigniert ausgesehen, mit rotem, schorfigem Ausschlag auf den Wangen.
    Unter dem Blut waren die Flecken immer noch zu erkennen. Wie lange war das her, drei Wochen?
    Vier?
    «Julia», sagte sie still. «Ich bin es, Nina. Du bist im Krankenhaus. Alles wird wieder gut.»
Wirklich? Glaubst du daran?
    Nina sah zu dem Arzt hinüber, der sich am Fußende der Liege niederließ und konzentriert ein Formular ausfüllte.
    «Wie geht es jetzt weiter?», fragte sie.
    «Ich überweise sie zur Computertomografie», sagte er. «Nur um alle Arten von Hirnschäden auszuschließen. Wir geben ihr ein Beruhigungsmittel, und dann kommt sie auf die psychiatrische Station. Dort erhält sie hoffentlich eine ordentliche Therapie.»
    Er erhob sich von der Pritsche, und seine Holzschuhe knallten auf den Boden.
    «Kennen Sie die Frau persönlich?»
    Nina nickte.
    «Sie wird in der nächsten Zeit sehr viel Unterstützung brauchen», sagte der Arzt noch und verschwand dann hinaus auf den Korridor.
    Die Tür schloss sich mit einem saugenden Laut. In der Stille, die die energiegeladene Geschäftigkeit des jungen Mannes hinterließ, traten alle Geräusche der Notaufnahmestation umso deutlicher hervor: der surrende Ventilator, Julias leichte Atemzüge, das «Blip-blip» des EKGs.
    Vorübereilende Schritte, ein Telefon klingelte, ein Kind weinte.
    Nina sah sich in dem sterilen Zimmer um. Es war eng und kühl und ohne Fenster. Das grelle Licht kam aus flimmernden Neonröhren an der Decke.
    Nina löste ihre Hand aus Julias und erhob sich. Julias Lider zuckten.
    «Julia», sagte Nina und beugte sich über die Freundin. «Hey, ich bin es. Schau mich an …»
    Die Frau reagierte mit einem kleinen Seufzer.
    «Hey du», sagte Nina. «Mach die Augen auf und sieh mich an, ich will mit dir reden …»
    Nicht die kleinste Reaktion.
    Jähe Wut schoss in Ninas Hals empor wie saurer Mageninhalt.
    «Du gibst einfach auf», sagte sie laut. «Das ist so typisch für dich, du liegst einfach da und überlässt es den anderen, sich um deinen Kram zu kümmern.»
    Julia rührte sich nicht.
    «Was hast du dir denn gedacht? Was soll ich jetzt machen?», sagte Nina und trat näher an die Pritsche heran. «Ich kann dir jetzt nicht helfen! Warum hast du mir nichts gesagt? Dann hätte ich doch wenigstens eine Chance gehabt…»
    In ihrem Funkgerät knisterte es, und vor Schreck ging sie zwei Schritte zurück.
    «1617 von 9070, kommen.»
    Der Streifenführer suchte sie.
    Sie wandte sich von Julia ab und starrte in einen Schrank mit Verbandszeug, griff nach dem Mikrofon und drückte den Antwortknopf an der Seite.
    «Hier 1617. Ich habe Julia Lindholm ins Krankenhaus Söder gebracht, sie wurde gerade in der Notaufnahme untersucht. Kommen.»
    «Du kannst nicht dableiben», sagte der Streifenführer. «Wir brauchen so schnell wie möglich deinen Bericht. Ich schicke Andersson mit dem Wagen, dann kann er so lange die Stellung halten, bis wir jemanden haben, der die Bewachung übernimmt. Over und Ende.»
    Nina steckte das Funkgerät zurück
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