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Leben macht Sinn

Leben macht Sinn

Titel: Leben macht Sinn
Autoren: Irmtraud Tarr
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Alltagsziele liegt, ein Ziel, das über das alltägliche Einerlei hinausgeht und auf höherwertige Zusammenhänge verweist. Wir leben nicht nur in unseren kleinen Nischen, sondern im Horizont von Möglichkeiten, in symbolischen Formen. Kurzum: Kultur. Menschen wollen und brauchen den Blick zu den Sternen. »Man muss etwas Neues machen, um Neues zu entdecken«, so empfahl es schon der Physiker G. C. Lichtenberg. Der graue Alltag wird zur Tretmühle, und das bedeutet, man tritt auf der Stelle, ist festgefahren, gäbe es nicht diesen über Zweck und Nutzen hinaus öffnenden Blick auf einen größeren Sinnhorizont. So können schon kleine Initiativen größere Horizonte öffnen: die Musikstudentin, die jeden Sonntag insKrankenhaus fährt, um für die Patienten tröstliche Musik zu spielen, das Ehepaar, das einem Hund das Leben rettet und nach einer Operation bei sich aufnimmt, der Pantomime, der in seiner Freizeit die Leute im Altersheim zum Lachen bringt, der pensionierte Lehrer, der sein Wissen an junge Arbeitslose weitergibt. Es geht nämlich um nichts Geringeres als um Durchblicke auf Sinn, für sich selbst, für die anderen und auf größere Zusammenhänge. Gewiss liegt einer der kostbarsten Durchblicke im Dasein für andere, in der Verbundenheit mit ihnen und im Hinausgehen über sich selbst zu den anderen.
    Warum reisen so viele im Urlaub ans Meer oder in die Berge? Nicht nur, um dem Alltag zu entfliehen, sondern weil wir uns mit dem Größeren verbinden wollen, und weil etwas in uns zur Erhabenheit der Berge und der Unermesslichkeit des Meeres in Resonanz steht. Der wiegende Rhythmus des Meeres und seine unergründliche Tiefe lassen unsere eigene Tiefe und Unergründlichkeit anklingen, ebenso wie die Berge uns an unsere eigene Größe und Würde, unsere Einzigartigkeit erinnern. Was wir im Wasser, im Sand und in den Bergen suchen, ist letztlich eine Projektion dessen, was auch in uns an Rhythmus, Tiefe und Höhe existiert. Ich nenne es Seele, auch wenn Hirnforscher diesen Begriff inzwischen gründlich zerstückelt haben. Sinn entsteht also nicht nur im Bezug zum Göttlichen, sondern wenn wir in größere Horizonte und Hoffnungen blicken, wenn wir uns nach dem ausstrecken, was uns überschreitet und unsere eigene emotionale Tiefe zum Klingen bringt.
    Wohl wissend, es gibt viele Sinne, religiöse und säkulare, für die wir uns heutzutage in Freiheit entscheiden können, weil es kein Sinnmonopol mehr geben kann und darf. Religiöser Glaube schafft Sinn, schon allein, weil wiruns anders verhalten, wenn wir ein religiöses »Backup« besitzen. Durch Glauben werden wir nicht nur mit den anderen, sondern auch mit Ritualen, mit Werten, mit Transzendenz verbunden. Andere erfahren Verbindung durch die Großartigkeit der Kunst, die wunderbare Unergründlichkeit der Natur, die Schönheit von Gedanken philosophischer Art, die Tiefe menschlicher Liebe. Je nachdem wie das Licht auf dieses Prisma fällt, scheinen vielfältige Sinnfacetten auf.
    Menschen sind nicht selbstgenügsam. Immer streben sie auf etwas hin, suchen etwas, das die Begrenzungen des eigenen Ichs übersteigt, etwas, das sie mit der Welt, mit etwas Größerem und mit dem Anderen verbindet. Insofern heißt Sinn suchen: sich verbinden, sich an etwas binden. Die eigenen Interessen, Begabungen, Energien richten, bündeln und etwas finden, wofür sich ein wirkliches Engagement lohnt. »Alles beginnt mit Sehnsucht«, diesen Satz von Nelly Sachs möchte ich aufgreifen. Wesentlich scheint mir, dass wir unsere eigenen Sehnsüchte und Hoffnungen ernst nehmen und unsere Sinnschöpfungen danach ausrichten, was uns persönlich Geborgenheit, Hoffnung und Halt gibt. Traditionen, familiäre Werte oder Gewohnheiten beflügeln nicht, wenn sie uns nur sagen, was wir zu wünschen haben oder wonach wir streben sollten, wenn sie als unreflektierte Übernahme statt als Wertschätzung und Treue gegenüber persönlichen Erfahrungen erlebt werden. Sinn-Erfüllung ist daran zu erkennen, dass sie uns weitet, größer und offener macht. So deute ich das Jesus-Wort vom Kreuz, das man auf sich nehmen solle, um ihm zu folgen: Es bedeutet eben nicht ein Leben der Anpassung, des Beifalls, der Zustimmung durch andere, es bedeutet auch nicht ein Leben ohne Sorgen und Ängste, ohne Ecken und Kanten, sondern dieAufforderung, für das einzustehen, was der eigenen Seele ein größeres Leben verspricht, von deren Eigenart und Schönheit sie sich angezogen fühlt. Und das zu tun, woran unser Herz
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