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Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst

Titel: Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst
Autoren: W Mass
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Gegenstand, den er entdeckt hatte, erfand?«
    Ich setze mich ihr gegenüber und nicke. Ich erinnere mich tatsächlich, wenn auch sehr verschwommen. Nach Dads Tod war es, als redeten alle Möbelstücke mit mir (mit Dads Stimme), und es kostete mich viel Mühe, nicht zu vergessen, dass der Dielentisch lediglich ein Tisch war, nicht der Original-Tisch, auf dem die amerikanische Unabhängigkeitserklärung unterzeichnet worden war. Was natürlich gar nicht stimmte.
    Mom fährt mit der Hand über die Kerben, die tief in den Küchentisch gegraben sind. »Weißt du noch, was er über diesen kaputten Tisch gesagt hat, als wir ihn gefunden haben?«
    Ich schüttle den Kopf.
    »Als wir ihn bei einem Garagenverkauf entdeckt haben, hat dein Vater gesagt, er habe einer stark übergewichtigen alten Frau gehört. Sie habe am Tisch gesessen, als sie in der Zeitung las, dass ihre Lotteriezahlen gewonnen hätten. Vor lauter Aufregung
sei sie ohnmächtig geworden und nach vorn auf den Tisch gefallen und dabei sei eines der Tischbeine unter ihrem Gewicht zerbrochen.« Mom deutet auf die Kassette und sagt: »Er war total aus dem Häuschen an dem Tag, als er die bekam. Er sagte, das sei die außergewöhnlichste Kassette, die er je gesehen habe, mit all diesen Schlüssellöchern. Damals warst du sechs, und er fing noch am selben Abend an, sie für dich zu füllen. Die Widmung hat er erst ein paar Monate später hineingeschnitzt.«
    Brennende Tränen steigen mir in die Augen, aber ich blinzle sie weg. »Dann weißt du also, was da drin ist?«
    Sie schüttelt den Kopf. »Er hat ein großes Geheimnis daraus gemacht. Er hat die Kassette im Keller des Comicladens aufbewahrt.«
    Deshalb also habe ich sie nie bei uns in der Wohnung gesehen! »Hast du Kopien von den Schlüsseln?« Ich halte den Atem an, bis sie antwortet.
    Sie schüttelt erneut den Kopf. »Sie waren nur in einer Ausführung vorhanden. Man braucht vier verschiedene Schlüssel zum Aufsperren und die habe ich alle mit der Post an Harold geschickt. Ich habe keine Ahnung, was er damit angestellt hat.«
    »Vielleicht hat Dad ja selbst Zweitschlüssel angefertigt und sie dann im Laden aufbewahrt. Ich kann Onkel Arthur fragen, ob …«
    Noch einmal schüttelt sie den Kopf. »Tut mir leid, Jeremy. Ich habe alles, was deinem Vater gehörte, aus dem Laden geräumt. Es gibt keine anderen Schlüssel.«
    Ich zerre am Deckel der Kassette, ohne ernstlich zu erwarten, dass etwas passiert. Er ist fest verschlossen. »Und wie soll ich das dann aufkriegen?«, frage ich.

    »Ganz ehrlich, ich weiß es nicht.« Sie steht auf und nimmt den Krug mit dem Eistee aus dem Kühlschrank. Während sie uns zwei Gläser holt, sagt sie: »Lizzys Vater hat doch Werkzeug. Wir könnten ihn bitten, dass er die Kassette auseinandersägt, wenn du bis zu deinem Geburtstag keine Möglichkeit gefunden hast, sie zu öffnen.«
    Ich springe von meinem Stuhl auf und werfe ihn beinahe um. Dann grabsche ich die Kassette vom Tisch und drücke sie an meine Brust.
    »Darf ich das als Nein verstehen?«, fragt Mom leicht belustigt.
    »Ja, das heißt Nein«, sage ich entschieden und umklammere die Kassette noch fester. Ich kann doch nicht Dads Kassette in zwei Teile zersägen lassen, nachdem ich gehört habe, wie sehr er daran gehangen hat! Nach fünf Jahren hat er mir eine Nachricht geschickt mit einem einzigen Auftrag: diese Kassette an meinem dreizehnten Geburtstag zu öffnen. Also werde ich genau das irgendwie bewerkstelligen, und wenn es noch so aussichtslos erscheint.

Kapitel 3: Die Schlüssel
    Ich schicke Lizzy eine Nachricht und berichte ihr, dass Mum die Schlüssel nicht hat und ich wundersamerweise nicht bestraft werde. Stunden später, die Großvateruhr schlägt gerade elf, bekomme ich endlich eine Antwort.
    Ich hab einen Plan. Komm morgen früh um zehn rüber. Bring den Brief und die Kassette mit. Tut mir leid, dass ich mit der Antwort so lange gebraucht habe, das kommt von diesem Getue mit »Freitagabend ist Familienfilmabend«. Wieder »Feld der Träume«. SCHON WIEDER! Komm pünktlich!
    Lizzy
    Lizzys Pläne machen mich immer nervös, aber in diesem Fall habe ich nichts zu verlieren. Vom Abendessen bis jetzt habe ich meine eigenen Möglichkeiten, die Kassette zu öffnen, allesamt durchprobiert. Um herauszukriegen, ob extreme Temperaturen die Schlösser eventuell lockern, habe ich die Kassette für eine Stunde in den Gefrierschrank gestellt. Keine Veränderung. Dann habe ich sie in die Mikrowelle gelegt. Aber vor dem
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