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Leben im Buero

Leben im Buero

Titel: Leben im Buero
Autoren: Christoph Bartmann
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mit einem Milchschaumgetränk und ihrem Apple-Gerät im Coffeeshop sitzen und etwas tun, für das sie hoffentlich bezahlt werden. Angestellter – dass es so etwas überhaupt noch gibt! Aber tatsächlich ist ja die große Mehrheit der berufstätigen Deutschen noch immer angestellt, auch wenn anscheinend nur noch wenige als festangestellte Vollzeitbeschäftigte das Rentenalter erreichen (ich habe es fest vor). Es gibt uns noch, die Angestellten in unprekären, unspektakulären Beschäftigungsverhältnissen, die Inhaber eines richtigen Arbeitsplatzes in einer Einrichtung, die man früher Behörde genannt hätte, später dann Institution oder Organisation, und die sich jetzt gerne Unternehmen nennt. Nur grobes Fehlverhalten oder der Wegfall der Geschäftsgrundlage könnten uns aus ihr vertreiben, aber auch dann nicht ohne eine angemessene Abfindung. Wir sind unbefristet angestellt, so gut wie unkündbar, genießen die Segnungen eines Tarifvertrages und haben so weit keinen Grund zum Klagen. Natürlich haben es die Beamten noch besser, aber hatten wir jemals das Ziel, Beamte zu werden? Sicher nicht, aber genauso wenig war es jemals unser Ziel, Angestellte im öffentlichen Dienst zu werden. Es hat sich ergeben, wir haben nicht nein gesagt und waren ja damals ganz froh, überhaupt einen Job zu finden; und mit der Zeit haben wir die Sicherheit schätzen gelernt und den Gedanken an berufliche Alternativen sanft eingeschläfert. Die »Planungssicherheit«, wie man so sagt, die relative Unwahrscheinlichkeit, abzustürzen und wieder bei den Eltern einziehen zu müssen, die Erwartung einer moderaten Rente, das alles ist nicht wirklich ein Nachteil, auch wenn es auf manche langweilig wirkt. Aber wie spannend ist es, nicht zu wissen, wovon die nächste Telefonrechnung bezahlt werden soll, wie bei den meisten Freiberuflern, jedenfalls in unserer Branche. Das Angestelltsein, sagen wir uns, ist schon in Ordnung, und gerade wenn es ein Auslaufmodell wäre, was es wahrscheinlich gar nicht ist, sollte man sich an ihm freuen. Soweit ist also alles in Ordnung.
    Trotzdem beschleicht mich regelmäßig ein Unbehagen. Es ist das Unbehagen am oder im Büro, an der Ordnung des Gegenwartsbüros, das Unbehagen an Office. Office, das ist der Betriebsmodus der gegenwärtigen, der neuen Bürokratie, von der das gleichnamige Microsoft-Paket nur ein Teil ist. Es ist nicht so, dass mir im Büro die hässlichen Dinge widerführen, von Mobbing bis zu sexueller Belästigung, von denen die vielen Büroratgeber handeln. Das Unbehagen geht tiefer, und zugleich hat es mit mir persönlich und meinem individuellen Büroerlebnis nicht viel zu tun. Was also? Ist es, was man einmal Entfremdung nannte? Aber alle sind freundlich zu mir, und ich arbeite weitestgehend selbstbestimmt. Ist es das Gefühl, nur ein Objekt zu sein? Aber ich darf, ja soll mich geradezu als Subjekt entfalten, meine Kreativität und meinen Nonkonformismus ausleben. Die Autoritäten, die einem früher einmal das Büro verleiden konnten, haben weithin abgedankt, und vielleicht ist genau das mein Problem: ich begegne im Büro kaum je schlechtgelaunten Chefs, sinnlosen Vorschriften und dem Walten anonymer Mächte, sondern im Grunde genommen nur mir selbst, in meiner nur in der Ferne von Vorschriften eingezäunten Autonomie. Ich bin jetzt ein unternehmerisches Selbst, wie das Soziologen nennen. Könnte ich da nicht genauso gut zu Hause bleiben, in meinem Home Office und dort meine Arbeit erledigen?
    Zum Bürotag gehört die Anreise, und weil meine Anreise lang ist, eröffnet sie Räume zum Nachdenken. Meine Gedanken kreisen dabei häufig um die Frage, warum ich überhaupt ins Büro fahre. Ich gehe keineswegs ungern ins Büro, im Gegenteil, ich mag die meisten meiner Kollegen, ich mag den Inhalt meiner Arbeit und ich gehe gern mittags in die Kantine. Nur: arbeiten im strengen Sinn des Wortes könnte oder kann ich besser zu Hause; weshalb ich mir gelegentlich auch einen sogenannten Teletag genehmige. Ins Büro gehe ich, so kommt mir vor, eher zum Kommunizieren. Aber würde dafür nicht eigentlich ein Tag pro Woche genügen? Der Kommunikationstag. Die Präsenz- und Kontakt-Phase. Was das Arbeiten zu Hause so attraktiv macht, ist vor allem der Umstand, dass dort wenig Kommunikation stattfindet. Keine Besprechungen, keine Konferenzen, keine Meetings. Das Büro
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