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Leben im Buero

Leben im Buero

Titel: Leben im Buero
Autoren: Christoph Bartmann
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Erweckungs- und Bekehrungsgeschichten, haben mich noch nicht erreicht; der Gnadenstrahl hat mich verfehlt, der meinem Tun endlich eine Richtung gäbe. Der Staat zwingt mich als Bürger nicht, solchen Heilsgeschichten Glauben zu schenken; als Angestellter bin ich »gehalten« (gebeten? Gezwungen? Sagen wir: »es wäre schön, wenn Sie …«), an die Frohbotschaft des Change zu glauben. So hat sich in mein berufliches Dasein die Pflicht zur Anerkennung, wenn nicht zum fröhlichen Nachvollzug von Maximen, Methoden und Mantras eingeschlichen, für die man sonst bestenfalls das Wort Ideologie übriggehabt hätte. Andere wieder nennen es Betriebswirtschaft.
    Entsprechend unklar bleibt die Frage meines Berufs. Man kennt die Situation abends an der Hotelrezeption. Jetzt wäre ich gern Journalist, Gastwirt oder Steuerberater, jedenfalls nicht nur Angestellter und, auch kaum besser, leitender Angestellter. Vielleicht muss ich lernen, meine Widerstände zu überwinden und endlich das Wort Manager auf das Formular zu schreiben. »Unternehmer« fände ich dann doch zu frech, selbst wenn wir jetzt unablässig unternehmerisch handeln. Also Manager. Wenn ich mich Tag für Tag mit Fragen des Organisationsmanagements, des Evaluationsmanagements, des Personalmanagements, des Kulturmanagements, des Qualitätsmanagements, des Finanzmanagements, des Kommunikationsmanagements, des Risiko-, Fall- und Nachhaltigkeitsmanagements und natürlich des Informationsmanagements beschäftige, dann bin ich doch wohl ein Manager. Der Terminkalender auf den Karriereseiten der Süddeutschen Zeitung bietet heute wieder Lehr- und Studiengänge für Facility Manager, Risiko Manager, Automotive Manager, Sales Manager und Security Manager an. 2 Manager sind Leute, die Dinge nicht regelrecht selbst tun, wie sie etwa der Holzfäller tut, wenn er einen Baum fällt – er ist ja kein Holz- oder Baumfällmanager. Manager sind Leute, die nicht selbst Hand anlegen, die aber von überlegener Warte aus das reibungslose Funktionieren von »komplexen Prozessen« sicherstellen, nicht zuletzt durch »Kommunikation«. Manager sind schon etymologisch betrachtet helfende Hände, Handhaber also, aber keine Handarbeiter. Manchmal ist der Manager auch einer, der den Dingen einen bestimmten Dreh gibt; wofür sich auch die Berufsbezeichnung SpinDoctor eingebürgert hat. Der Manager ist also ein, und jetzt kommen alle diese schrecklichen Wörter, ein Facilitator und Erleichterer, ein Enabler und Ermöglicher, ja ein Empowerer und Ermächtiger, man könnte auch sagen, ein Ertüchtiger, der nichts will, außer dass anderen die Arbeit leichter von der Hand geht, der sich zwischen uns und unsere Arbeit stellt und uns die schlechte Alternative lässt, entweder selbst Manager zu werden oder aber von Managern beherrscht zu werden. Sehr sonderbar, wie das Wort Management, ohne für sich etwas zu bedeuten, dem Beiwort stets eine Aura verschärfter Dringlichkeit verleiht. Was machen sie beruflich? Ich mache Prozessmanagement für Managementprozesse. Ach so. Das manageriale Selbst überformt und unterhöhlt mein anderes, das klassische Berufs-Selbst, von meinem außerdienstlichen Selbst ganz zu schweigen. Es ist nicht die DéformationProfessionelle, die mir zu schaffen macht, sondern die manageriale Deformation, wobei der wahre Manager zwischen dem Professionellen und dem Managerialen gar keinen Unterschied wüsste. Wir sind zwar in der öffentlichen Verwaltung, aber wir praktizieren, halbherzig zwar und nicht wirklich dafür ausgebildet, doch rhetorisch auf der Höhe, die Praktiken des Managements. Das Management ist in der Bürokratie angekommen und hat sie gekapert. Das Management ist das neue, das einstweilen letzte Stadium der Bürokratie. »Manager«, lese ich nun also meinen neuen Beruf auf dem Meldeformular. Fehlt da nicht noch etwas? Genau, das Marketing. Heute habe ich unter anderem erfolgreich bewältigt: Prozessmarketing, Optimierungsmarketing, Qualitätsmarketing, Kommunikationsmarketing, Performancemarketing, Personalmarketing und Organisationsmarketing und nicht zuletzt: Selbstmarketing. Ich bin Manager, genauer: Marketing-Manager. Eine Sphäre außerhalb dieser beiden Funktionen, die in Wirklichkeit ein und dieselbe sind, gibt es nicht mehr. Die Momente dieses Tages, in denen ich zum Arbeiten, ja gar zum Denken kam, habe ich mir erkämpft oder
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