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Leaving Paradise (German Edition)

Leaving Paradise (German Edition)

Titel: Leaving Paradise (German Edition)
Autoren: Simone Elkeles
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zurück auf sein Kissen, wo er weiter rumjault. »Ich will nicht ein Jahr eingesperrt sein«, schluchzt er.
    Julio, mein anderer Zellengenosse, kommt herein. »Mal ehrlich, Caleb, wenn der Junge nicht endlich die Fresse hält, bring ich ihn um. Wegen dieser Heulsuse habe ich seit drei Nächten kein Auge zugetan.«
    Die Jammerei hört auf, aber dafür geht das Geschniefe los. Was im Grunde schlimmer ist als die Jammerei.
    »Julio, lass den Jungen in Ruhe«, sage ich.
    »Du bist viel zu weich, Caleb. Wir müssen die Kids hier abhärten.«
    »Damit sie so werden wie du? Nichts für ungut, Mann, aber du würdest sogar einem Serienmörder Angst einjagen«, sage ich.
    Ein Blick genügt und man weiß, dass Julio ein harter Hund ist. Tattoos auf Nacken, Rücken und Armen. Rasierter Schädel. Wenn seine Mum zu Besuch kommt, führt sie sich auf, als wären seine Tattoos ansteckend.
    »Und?«, fragt Julio. »Lassen sie dich raus?«
    Ich setze mich auf mein Bett. »Hm. Morgen.«
    »Du glücklicher Hurensohn. Gehst du in das Kaff mit dem komischen Namen zurück? Wie heißt es noch gleich?«
    »Paradise.«
    »Also werde ich hier allein mit der Heulsuse hocken, während du im Paradies bist? Wenn das mal kein mieser Deal ist.« Er starrt den Kleinen mit weit aufgerissenen Augen an. Wenn ich Julio nicht besser kennen würde, hätte ich jetzt auch Angst.
    Und sofort geht die Sirene wieder los.
    Julio grinst, dann sagt er: »Ich gebe dir die Nummer von meinem Cousin Rio aus Chicago. Falls du schnell wie der Teufel aus dem Paradies abhauen musst, wird Rio dich einsammeln.«
    »Danke, Mann«, sage ich.
    Julio schüttelt den Kopf über den heulenden Knirps, sagt: »Bis später, amigo «, und verlässt die offene Zelle.
    Ich tippe dem Kleinen auf die Schulter. Er schreckt verängstigt von mir weg.
    »Ich tu dir nichts«, versichere ich ihm.
    Er dreht sich zu mir um. »Das sagen sie alle. Ich habe gehört, was im Knast abgeht.« Er rutscht mit dem Hintern Richtung Zellenwand.
    »Bild dir bloß nichts ein, Kleiner. Du bist nicht mein Typ. Ich steh auf Bräute.«
    »Was ist mit dem Typen mit den Tattoos?«
    Ich unterdrücke den Drang, laut aufzulachen. »Er ist ebenfalls hetero. Dude, du bist hier in einer Jugendeinrichtung.«
    »Er hat gesagt, er wird mich umbringen.«
    »Das hat er gesagt, weil er dich mag«, beruhige ich ihn. Julio hat einen kranken Sinn für Humor. »Jetzt steh endlich auf, hör auf zu heulen und geh zu deiner Gruppe.«
    Gruppe steht für Gruppentherapie, wo alle Insassen im Kreis sitzen und persönlichen Mist aus ihrem Leben durchkauen.
    Morgen werde ich diesem Ort für immer den Rücken kehren. Keine Gruppe mehr. Keine Zellengenossen. Kein mieser Fraß mehr. Kein Schrubben von Müllcontainern.
    Morgen kehre ich nach Hause zurück.

 
    2 Maggie
    Für meinen Geschmack mögen Physiotherapeuten ihren Job ein bisschen zu sehr. Ich meine, warum sehen sie immer so gut gelaunt aus und lächeln, während sie einen zum Schwitzen bringen und man vor Schmerzen die Zähne zusammenbeißen muss?
    Als wolle er meine These unterstreichen, wartet Robert, mein Physiotherapeut, mit einem breiten Zahnpastalächeln in der Lobby des Krankenhausflügels für ambulante Patienten auf mich.
    »Hallo, Maggie. Bereit, dein Bein zu trainieren?«
    Nicht wirklich. »Ich schätze schon«, sage ich mit gesenktem Blick.
    Ich weiß, es ist Roberts Job, sich darum zu bemühen, dass ich besser laufe. Aber es bringt überhaupt nichts, weil mein Bein innen drin total verkorkst ist. Die letzte OP , die ich hatte, um meine Tibiakopffraktur zu richten, dauerte über sieben Stunden. Mein Orthopäde zieht mich gerne auf und nennt es mein Bionic-Bein. Ich weiß nur, dass ich mehr Nägel und Plastik in mir habe als eine durchschnittliche Werkzeugkiste.
    Wenn ich nächstes Semester nach Spanien gehe, werden die Sicherheitsleute am Flughafen großen Spaß an mir haben. Wahrscheinlich werden sie mich bitten, in ihren Durchleuchtungsapparat zu kriechen, um sicherzustellen, dass ich keine Waffe in meinem Knie versteckt habe.
    Robert bringt mich in den Physiotherapieraum. Ich muss zweimal die Woche hierher kommen. Zweimal die Woche, seit einem knappen Jahr, und noch immer starren mich die Leute an, wenn sie mich laufen sehen.
    »Maggie, leg dich hin und setze deinen Fuß auf meine Schulter«, weist Robert mich an und alles nimmt seinen gewohnten Gang.
    Seufzend lege ich mich auf die Matte und hebe meinen Fuß auf Roberts Schulter. Er fixiert ihn dort und lehnt sich nach
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