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Leadership: Lehren, die mich durchs Leben führten (German Edition)

Leadership: Lehren, die mich durchs Leben führten (German Edition)

Titel: Leadership: Lehren, die mich durchs Leben führten (German Edition)
Autoren: Colin Powell
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umherzustreifen. Eine Reparaturwerkstatt mit schmutzigen Handwerkern, verstreut herumliegenden Ersatzteilen und weit und breit keine Vorgesetzten, die nach dem Rechten sehen, sagte mir mehr über den Zustand der Wartungsabteilung als alle offiziellen Quartalsberichte.
    Jedes Mal, wenn ich Kasernen inspizierte, prüfte ich die Etagenbetten, Spinde und Truhen. Ich ging auch schnurstracks zur Latrine. Nicht nur, um zu sehen, ob sie sauber war. Gab es dort zu wenig Toilettenpapier, waren irgendwelche Spiegel gesprungen, fehlten Duschköpfe? Solche Mängel waren für mich höchst aufschlussreich – sie deuteten darauf hin, dass es der Einheit entweder an Instandhaltungsgeldern fehlte, dass dies niemand überprüfte, um den Missstand zu beheben, oder dass die Soldaten nicht ausreichend beaufsichtigt wurden. Man sollte herausfinden, was genau die Ursache ist, und dann die Fehler beheben.
    Ich hasste es, wenn weiß getünchte Steine einen Weg säumten. Und der Geruch nach frischer Farbe bedeutete, dass sie von meinem Besuch gehört hatten. Auch frische Plätzchen verrieten alles.
    Als ich in Korea stationiert war, erfuhren wir einmal, dass der Admiral, der die Pazifikstreitkräfte befehligte, unseren Posten besuchen und die Bataillonsunterkünfte inspizieren wollte. Ich war hocherfreut. Wir lebten in uralten, schäbigen Wellblechhütten; wir konnten keine Ersatzteile für die Öfen oder Farbe für die Außenseite auftreiben. Weil wir nicht genug Farbe hatten, sagte man mir, ich solle nur die Fassade, nicht die Rückseite der Messe streichen, an der der Admiral vorbeigehen würde. Er spazierte vorbei und sah die frische Farbe. Sie war im Vergleich zu allem anderen, was er sah, so neu, dass er sich nicht täuschen ließ. Wir hätten uns hinsetzen und ihm unsere Probleme offen schildern sollen, statt ihn zu zwingen, zum Detektiv zu werden.
    Die Gefolgsleute, die Soldaten, leben in einer Welt kleiner Dinge. Führungsverantwortliche müssen formelle und informelle Wege finden, um sich Einblicke in diese Welt zu verschaffen. Neben unangemeldeten Besuchen habe ich mich auf eine Reihe informeller Beobachter gestützt, die direkten Zugang zu mir hatten und mir konkrete Einzelheiten berichteten, die das System mir normalerweise nicht anbieten würde. Sie schenkten mir auch reinen Wein ein, wenn ich etwas verbockt hatte, und redeten mir nicht nach dem Mund. Auf meinen Posten als militärischer Befehlshaber waren es die Militärseelsorger, mein Oberstabsfeldwebel und sein Netzwerk, mein Generalinspekteur und einfache Soldaten, die an Abenden der »Offenen Tür« vorbeischauten. In meinen Positionen im Nationalen Sicherheitsrat und in der Regierung habe ich immer bewährten externen Freunden und internen Informanten innerhalb der Organisation vertraut, die sich im »Souterrain« umsahen und mich auf dem Laufenden hielten. Führungsverantwortliche brauchen zuverlässige, direkte Informationen von der Basis und dürfen sich nicht mit dem begnügen, was sie aus Berichten und von ihren Stabsmitarbeitern erfahren.
    Im State Department bin ich einmal, als ich um zwei Uhr nachmittags ein wenig umherstreifte, zufälligerweise einer jungen Dame begegnet, die gerade das Gebäude verließ. Sie schien mich nicht zu erkennen, oder aber sie tat so, als würde sie mich nicht erkennen. Ich fragte sie, weshalb sie so früh Feierabend mache. »Ich habe Gleitzeit«, sagte sie mir. »Ich habe um sieben Uhr angefangen.«
    Das weckte meine Neugierde; ich wusste nicht viel über Gleitzeit. Ich begleitete sie ein Stück und fragte sie, wie sie und ihre Kollegen damit klarkämen. Ich erfuhr mehr über diese Regelung, als ich jemals von meinen Mitarbeitern gehört hatte. Mir wurde klar, dass es eine gute Regelung war, die erweitert werden sollte. Sie schien noch immer nicht zu bemerken, wer ich war.
    Um ein wenig zu sticheln, sagte ich: »Wow, ich hätte auch gern Gleitzeit. Wie haben Sie das angestellt?«
    »Fragen Sie Ihren direkten Vorgesetzten«, antwortete sie.
    »Ich werde das gleich am Montag tun, nach seiner Rückkehr von Camp David«, sagte ich ihr.
    »Schön«, sagte sie, ohne zu zögern. »Ich hoffe, Sie bekommen sie.« Sie ging durch die Tür, und ich stand da und wusste nicht, ob ich auf die Schippe genommen worden war. Aber ich hatte viel über Gleitzeit erfahren, die für mich eine Kleinigkeit war, aber für sie und viele meiner Mitarbeiter eine große Bedeutung hatte.

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    Wenn etwas gut läuft, sollten Sie allen innerhalb der
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