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Lauter reizende Menschen

Lauter reizende Menschen

Titel: Lauter reizende Menschen
Autoren: Mary Scott - Joyce West
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schmächtiger Junge, dem man seine zwanzig Jahre nicht ansah, mit brauner Haut und dunklen Augen. Er lächelte und musterte Lucia voller Neugier. Das war also die neue Chefin.
    Der Hund erhob sich und beschnupperte sie. Lucia zuckte zurück; mit Tieren hatte sie noch nie im Leben zu tun gehabt. »Tut er nichts?« fragte sie beklommen.
    Len lächelte. »Rosie? Die tut niemandem etwas. Gewiß sieht sie ein bißchen wüst aus, aber sie möchte nur gestreichelt sein — und gefüttert. Jaja, Rosie ist schrecklich gefräßig.«
    Rosie? Lucia lachte hell auf. Das also war eine von Onkel Peters geheimnisvollen Frauen! Wo aber war Carmen? Von ihr war nichts zu entdecken. Hoffentlich erwies sie sich als ebenso harmlos! Im Augenblick mochte Lucia nicht nach ihr fragen.
    »Rosie?« rief sie. »Das ist aber ein komischer Name für einen Hund — zudem für einen so großen!«
    »Ihr voller Name«, verkündete Len in leicht stelzigem Englisch — eines der wenigen Zeichen seiner Maori-Abstammung — , »lautet >Golden Rose of Bonnie Kildare<. Sie hat nämlich einen ganz erstklassigen Stammbaum.« — Lucia ließ sich die Belehrung demütig gefallen und nahm es mit um so tieferer Dankbarkeit hin, daß Len sich erbot, ihr die Koffer ins Haus hinaufzutragen.
    »Sofort, Miss Field!« sagte er. »Ich bediene nur schnell die beiden Lastwagen, und dann begleite ich Sie.«
    Lucia schaute zu, wie Len den beiden eben angefahrenen Wagen den Tank füllte. Leiser Neid stieg in ihr auf, und sie wünschte sich, es später einmal halb so geschickt machen zu können. Die ruhige, freundliche Sicherheit des jungen Tankwarts war wirklich bewundernswert.
    Bedächtig blickte Lucia sich weiter um. Neben den Pumpen befand sich ein kleines Büro, daneben die Werkstatt, in der Len gelegentlich Reifen flickte. Dahinter lag seine eigene Unterkunft.
    »Ich habe es sehr gemütlich, Miss Field: ein Zimmer, Küche und Bad. Übrigens haben wir eine eigene Lichtanlage, einen starken Generator. Ganz prima eingerichtet ist alles. Möchten Sie meine Wohnung mal sehen?«
    Um ihm eine Freude zu machen, folgte sie ihm, und sie fand ein winziges Heim, dessen Ordnung und Sauberkeit geradezu verblüffte. Len hielt offenbar sehr darauf. Und Onkel Peter schien nicht weniger proper: Sein Häuschen, ein wenig von der Tankstelle abgelegen, erwies sich als wahres Schmuckkästlein. Mit zwei Schlafzimmern, einem Wohnzimmer, einer kleinen Küche und dem Badezimmer kam es Lucia wie ein wahrer Palast vor. Nachdem Len die Koffer abgesetzt hatte, erklärte er, daß Rosie zwar bei ihm zu fressen bekäme, jedoch hier im Flur schliefe.
    »Wenn Sie sie nicht einlassen, heult sie die ganze Nacht!« versicherte er Lucia und zog sich zurück.
    Lucia trat ans Fenster und schaute auf den weiten See hinaus. Der Halbmond-See entsprach seinem Namen: in weitem Bogen schwang das Ufer dahin. Jenseits einer Bucht schimmerten ein paar Lichter. Sie kamen wohl vom Campingplatz.
    »Einsam ist es wirklich, aber doch keine Einöde«, meinte sie zu Rosie. »Ich glaube, es wird mir hier gefallen...« Aber hastig schränkte sie ein: »Wenigstens ein halbes Jahr!«
     
    Und nun also war sie gleich in der ersten Nacht von einem ausgewachsenen Erdbeben begrüßt worden! Der Schlaf schien Lucia endgültig geraubt, so stand sie wieder auf und schaute aus dem Fenster. Es war Neumond, nur die Sterne spiegelten sich im kaum bewegten schwarzen Wasser des Sees. Von ihrem harten Lager neben dem Bett winselte Rosie herzerweichend.
    >Armes Tier!< dachte Lucia. >Erdbeben sind wohl nicht Rosies Fall, und außerdem sehnt sie sich gewiß nach Onkel Peter. Eigentlich sollte ich sie ja nicht hier drinnen schlafen lassen!< Sogleich aber wurde sie schwach — und holte Rosies Matratze vom Flur herein. In rührender Dankbarkeit blickte Rosie die neue Herrin an, und deutlicher denn je erkannte Lucia, wie wenig das furchteinflößende Aussehen dem wahren Wesen der Hündin entsprach. Rosie war zweifellos ein zurückhaltender, melancholischer Charakter, dessen Sehnsucht nach Freundschaft und Zutraulichkeit immer wieder wegen der Körpergröße und der erschreckenden Gestalt unerfüllt blieb.
    Noch einmal trat Lucia ans Fenster, um mit einem letzten Blick Abschied zu nehmen. Plötzlich fiel ihr ein flackernder Lichtschein oben in den Bergen auf. Rührte er etwa von einer Stallaterne her? Einen Augenblick später hatte sich das Flackern in einen hellen Brand verwandelt, und eine flammende Rauchsäule stieg empor.
    Lucias spitzer
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