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Lauter reizende Menschen

Lauter reizende Menschen

Titel: Lauter reizende Menschen
Autoren: Mary Scott - Joyce West
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werden?«
    Lucia war gar nicht abgeneigt gewesen, und je mehr sie darüber nachdachte, desto stärker wuchs ihr Interesse. Sie kannte den Onkel zwar nicht sehr gut, aber seine zwanglose Natürlichkeit hatte ihr gefallen. Die Mutter hingegen hatte sich ihres Bruders stets ein wenig geschämt.
    »Dein Onkel hat niemals unter andern Leuten leben mögen. Der Krieg — 1914/18 natürlich — warf ihn aus der Bahn, und eine unglückliche Liebe tat das übrige. Er kam lange nicht zur Ruhe und kaufte sich endlich eine Tankstelle, irgendwo hoch im Norden; das war immerhin ungewöhnlich für einen Mann seiner Bildung! Nun, anscheinend verdiente er gar nicht schlecht, und vor einigen Jahren erwarb er den jetzigen Betrieb am Halbmond-See... Reichlich unpassend für einen Menschen seiner Herkunft!«
    Jawohl, Mrs. Field schämte sich ihres Bruders!
    In seinem Brief stand weiter:
    »Die Arbeit ist alles andere als schwer. Sie ist einem Mädchen durchaus nicht unangemessen, obwohl Deine Mutter dies vermutlich nicht zugeben wird. Ich habe einen ausgezeichneten jungen Tankwart, den ich aus dem Norden mitgebracht habe. Du brauchst also nur die Aufsicht zu führen, Rechnungen zu schreiben und die Kasse zu verwalten; draußen Hand anlegen mußt Du nur, wenn er mal nicht da ist. Übrigens liegt es in Deinem eigenen Interesse, überall ein wenig nach dem Rechten zu sehen, denn später soll alles einmal Dir gehören. Wenn Du Spaß daran findest, kannst Du meinetwegen nach einer Probezeit den Betrieb auch jetzt schon übernehmen; dann bekommt der Staat wenigstens keine Erbschaftssteuer! Einsam wirst Du ganz gewiß nicht sein: Eine Menge Leute kommen täglich vorbei, und dann ist ja auch der Junge da, Len Wilson, und Rosie. Beruhige Deine Mutter unbedingt: Len wird Dich beschützen — obwohl Du an diesem friedlichen, stillen Ort gar keines besonderen Schutzes bedarfst. Len ist ein braver Kerl, Er schwärmt von Pferderennen und vom Wetten, vergißt darüber aber die Tankstelle keineswegs. Übrigens ist er Maori-Mischling, ein ausnehmend höflicher, umgänglicher junger Mann.
    Ich gebe zu, daß die Aufgabe nicht dem Geschmack eines jeden Mädels entsprechen würde. Nach dem wenigen jedoch, was ich von Dir weiß, könnte ich mir vorstellen, daß sie Dich lockt. Aus Deinem letzten Brief glaubte ich, einigen Überdruß an der Stadt herauszulesen; es klang, als seiest Du vielleicht einer Abwechslung nicht abgeneigt... Nun, aufregende Abenteuer kann ich Dir allerdings nicht versprechen, denn alle Leute hier sind geradezu beängstigend gesetzestreu. Aber Du findest die Freiheit, Dein eigenes Leben zu führen, Du findest Bücher, genügend Menschen, den See und den Busch. Ich habe mich hier immer von Herzen wohl gefühlt, und deshalb gefällt es vielleicht auch Dir, wenigstens für einige Zeit.«
    Der Brief enthielt noch ein merkwürdiges PS, das Lucia nicht verstand: »Sei lieb zu Rosie, dann wird auch sie lieb zu Dir sein. Aber hüte Dich, um Gottes willen, vor Carmen!«
    Rosie und Carmen? Zwei Frauen in Onkel Peters Leben? Die Mutter war empört. »Das kommt von dem ungebundenen Dasein! Die Männer sind doch alle gleich! Einfach lächerlich, sich vorzustellen, du könntest an einem so seltsamen Ort hausen... Freiheit und Busch, jawohl — du mit deinen dreiundzwanzig Jahren... Und zwei Frauen obendrein!«
    Aber Onkel Peters Vorschlag hatte Lucia nicht losgelassen — obwohl sie sich selbst eingestand, daß dies wohl vor allem an Wayne Norton lag und daran, daß sie sich irgendwie selbst im Wege stand und froh war, der Stadt eine Zeitlang entfliehen zu können.
    Natürlich hatten die Eltern sich lebhaft widersetzt.
    »Der helle Wahnsinn ist es, so etwas auch nur zu erwägen!« erklärte Mary Field. »Dieses einsam gelegene Kaff! Meinst du etwa, dort könntest du Menschen deines Schlages kennenlernen?«
    Lucia wußte, was die Mutter meinte: >Wo willst du dort einen heiratsfähigen jungen Mann finden?< Aber sie antwortete nur: »Ich stelle es mir ganz lustig vor. Und außerdem wird es sicherlich der reine Erholungsurlaub, weil es bestimmt nicht viel zu tun gibt.«
    »Äußerst unpassend für ein junges Mädchen!«
    »Immerhin bin ich dreiundzwanzig Jahre alt, Mutter!« Warum mußten Eltern sich immer gleich aufregen und so gluckig tun? Warum wollten sie nicht einsehen, daß ihr Kind erwachsen war?
    Auch der Vater hatte Bedenken.
    »Mir scheint es zu einsam dort! Der gegebene Schlupfwinkel für Einbrecher und Räuber! Bestimmt bekommst du irgendwann
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