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Lauter reizende alte Damen

Lauter reizende alte Damen

Titel: Lauter reizende alte Damen
Autoren: Agatha Christie
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Ich habe dich auch in meinem Testament bedacht. Oder: ›Diese Brosche, die dir so gut gefällt, habe ich dir vermacht.‹ Und jetzt hat niemand etwas bekommen, nur das Katzenheim.«
    »Das hat ihr bestimmt einen Mordsspaß gemacht«, sagte Tuppence. »Tommy, sie war ein altes Biest, findest du nicht auch? Und trotzdem hab ich sie gern, gerade weil sie so war. Wer hat schon noch Spaß am Leben, wenn er so alt ist und in ein Heim gesteckt wird? Müssen wir zum Sonnenhügel?«
    »Wo ist der andere Brief, der von Miss Packard? Ah, ja. Sie schreibt, dass ein Teil der Möbel Tante Ada gehört hat. Die werde ich jetzt wohl bekommen. Und dann ihre persönlichen Dinge. Das muss man sich einmal ansehen. Ihre Kleider und Briefe… Glaubst du, dass wir etwas davon brauchen können? Höchstens den kleinen Sekretär, den habe ich immer gern gehabt. Er hat früher dem alten Onkel William gehört.«
    »Dann nimm ihn dir zur Erinnerung. Die übrigen Sachen können wir sicher versteigern lassen.«
    »Dann brauchst du doch eigentlich nicht mitzukommen, Tuppence.«
    »Ich würde aber sehr gern mitkommen.«
    »Wieso denn das? Ich dachte, es wäre langweilig für dich?«
    »Was? Ihre Sachen durchzusehen? Das ist nicht langweilig. Ich bin neugierig. Alte Briefe und antiker Schmuck sind immer interessant. Nein, wir fahren hin, räumen auf und nehmen uns, was wir haben wollen.«
    »Und warum willst du nun wirklich mitfahren? Du hast doch einen anderen Grund!«
    Tuppence seufzte. »Es ist schrecklich, mit jemandem verheiratet zu sein, der einen so genau kennt. Nun, der einzige Grund ist…«
    »Heraus mit der Sprache.«
    »Ich würde ganz gern die andere – diese andere alte Tante wiedersehen.«
    »Was? Die, die geglaubt hat, hinter der Kaminplatte sei ein totes Kind?«
    »Ja«, sagte Tuppence. »Ich möchte wissen, was sie damit gemeint hat. Ob sie sich an etwas erinnert oder ob es nur Einbildungen sind? Je mehr ich darüber nachdenke, umso seltsamer kommt es mir vor. Ist es ein selbstausgedachtes Märchen, oder ist irgendwann einmal etwas geschehen, das mit einem Kamin und einem toten Kind zu tun hatte? Warum hat sie geglaubt, das tote Kind könnte mein Kind gewesen sein? Sehe ich so aus, als hätte ich ein totes Kind?«
    »Ich weiß nicht, wie du dir das Aussehen eines Menschen vorstellst, der ein totes Kind hat«, sagte Tommy. »Auf jeden Fall müssen wir hinfahren, und du kannst dich nebenbei deinen makabren Vergnügungen hingeben. Damit ist wohl alles klar. Wir schreiben an Miss Packard und verabreden einen Termin.«

4
     
    » E s hat sich nichts verändert«, sagte Tuppence.
    Sie standen auf der Treppe von Haus Sonnenhügel.
    »Was sollte sich auch verändern?«, fragte Tommy.
    »Ich weiß nicht. Ich hab mir eingebildet, es müsste anders sein – wegen der Zeit, weißt du. Die Zeit vergeht nicht überall gleich schnell. Zu manchen Orten kehrt man zurück und erwartet, dass furchtbar viel geschehen ist. Aber hier… hier ist überhaupt nichts passiert. Hier hat die Zeit stillgestanden. Hier ist alles wie immer.«
    »Willst du hier den ganzen Tag stehen bleiben und über die Zeit philosophieren? – Tante Ada ist nicht mehr hier, das hat sich verändert.« Tommy klingelte entschlossen.
    »Ja, das ist wohl das Einzige. Meine alte Dame wird ihre Milch trinken und von Kaminen reden; und Mrs Soundso wird einen Fingerhut oder einen Teelöffel verschluckt haben; und eine komische kleine Frau wird aus einem Zimmer herausstürzen und Kakao verlangen; und Miss Packard wird die Treppe herunterkommen und…«
    Die Tür öffnete sich. Eine junge Frau in einem Nylonkittel sagte: »Mr und Mrs Beresford? Miss Packard erwartet Sie.«
    Die junge Frau wollte sie gerade wieder in das Wohnzimmer führen, als Miss Packard die Treppe herunterkam und sie begrüßte. Sie sprach – entsprechend den Umständen – in gemessenem Trauertonfall; allerdings hielt sich die Trauer in Grenzen. Miss Packard dosierte ihr Mitgefühl sehr geschickt.
    »Und wenn es hoch kommt siebzig Jahre.« Das war die Spanne Zeit, die die Bibel nannte, und die Todesfälle in ihrem Haus traten selten früher ein. Man musste mit ihnen rechnen, und sie ereigneten sich.
    »Ich bin froh, dass Sie so schnell kommen konnten, denn ich habe, um ehrlich zu sein, schon drei oder vier Anwärter auf einen freien Platz. Sie verstehen das sicher und glauben nicht, dass ich Sie drängen wollte.«
    »Aber natürlich, wir verstehen das sehr gut«, sagte Tommy.
    »Es ist alles noch an seinem
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