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Lauter reizende alte Damen

Lauter reizende alte Damen

Titel: Lauter reizende alte Damen
Autoren: Agatha Christie
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Welt.«
    Tuppence starrte ihn an. Sie runzelte die Stirn. »Wer war sie? Mrs Lancaster? Mrs Yorke? Wer war sie wirklich?«
    Philip Starke sagte heiser: »Wer war sie? Sie selbst? Die ec h te, die wirkliche? – Wer war sie – mit Gottes Zeichen auf der Stirn? Haben Sie jemals Peer Gynt gelesen, Mrs Beresford?«
    Er ging zum Fenster, blieb einen Augenblick dort stehen und sah hinaus. Dann drehte er sich rasch um.
    »Sie war meine Frau.«
    »Ihre Frau… Aber die ist doch gestorben – die Tafel in der Kirche…«
    »Sie ist im Ausland gestorben. Das habe ich überall verbreitet. Und ich habe eine Gedenktafel in der Kirche anbringen lassen. Ein trauernder Witwer wird nicht viel gefragt. Ich bin fortgezogen.«
    »Manche sagten, sie hätte Sie verlassen.«
    »Auch das war eine glaubwürdige Geschichte.«
    »Sie haben sie fortgebracht, als Sie es entdeckt haben – die toten Kinder…«
    »Davon wissen Sie also?«
    »Sie hat es mir gesagt. Ich – ich habe es fast nicht geglaubt.«
    »Sie war meistens ganz normal – es wäre nie jemand auf den Gedanken gekommen. Aber dann begann die Polizei sie doch zu verdächtigen. Ich musste etwas tun, um sie zu retten – zu schützen. Ich weiß nicht, ob Sie das begreifen.«
    »Doch«, sagte Tuppence. »Ich begreife sehr gut.«
    »Sie war früher wunderschön.« Seine Stimme wurde brüchig. »So wie dort«, er zeigte auf das Bild. »Waterlily – ein wildes Mädchen. Ihre Mutter war die letzte Warrender. Es war eine alte Familie mit viel Inzucht. Helen Warrender brannte mit einem Verbrecher durch. Ihre Tochter wurde Tänzerin. Dann geriet auch sie in Verbrecherkreise. Sie fand es aufregend. Sie war immer hinter Abenteuern her – und wurde immer enttäuscht. Als sie mich heiratete, lag das alles hinter ihr. Sie wollte ein friedliches Leben führen, Kinder haben. Und ich war reich. Ich konnte ihr alles geben, was sie sich wünschte. Aber wir hatten keine Kinder. Wir haben beide darunter gelitten. Sie bekam einen Schuldkomplex. – Vielleicht war sie immer schon labil. Ich weiß es nicht. – Was nützt das auch? Sie war…«
    Er hob verzweifelt die Hände.
    »Ich liebte sie. Ich habe sie immer geliebt – gleichgültig, was war und wie sie war. Ich wollte sie schützen. Sie sollte ihr Leben nicht in einer Anstalt verbringen müssen. Wir haben sie auch beschützt, viele, viele Jahre lang.«
    »Wir?«
    »Nellie – meine liebe, treue Nellie Bligh. Sie hat alles geplant und für alles gesorgt. Die Altersheime – jede Bequemlichkeit und jeder Luxus. Und keine Kinder. Sie durfte nie mit Kindern zusammenkommen. Es ging auch alles gut – die Heime lagen in einsamen Gegenden, in Wales, in Cumberland – wer sollte sie erkennen? Mr Eccles hatte uns dazu geraten – er ist ein sehr tüchtiger Anwalt. Er verlangte viel Geld, aber ich konnte mich auf ihn verlassen.«
    »Er hat sie erpresst«, sagte Tuppence.
    »So habe ich es nicht gesehen. Für mich war er ein Freund und Ratgeber…«
    »Wer hat das Boot auf das Bild gemalt? Das Boot ›Waterlily‹?«
    »Ich. Es gefiel ihr. Sie dachte an ihre Bühnenerfolge. Es war ein Bild von Boscowan. Sie schätzte seine Bilder. Aber eines Tages schrieb sie mit schwarzer Farbe einen Namen unter die Brücke – den Namen eines ermordeten Kindes. Darum habe ich das Boot gemalt und es Waterlily genannt…«
    Die Tür in der Wand öffnete sich plötzlich. Die freundliche Hexe trat ins Zimmer. Sie blickte von Tuppence zu Sir Philip Starke.
    »Geht’s wieder?«, fragte sie nüchtern.
    »Ja.« Tuppence nickte. Es war gut, dass Mrs Perry nicht zur Theatralik neigte.
    »Ihr Mann ist unten. Er wartet im Auto. Ich habe gesagt, ich würde Sie zu ihm bringen. Vielleicht ist Ihnen das lieber.« Sie warf einen Blick auf die Schlafzimmertür. »Ist sie – da drin?«
    »Ja«, sagte Sir Philip Starke.
    Mrs Perry ging in das Schlafzimmer und kam kurz darauf wieder zurück.
    »Ich sehe…« Sie sah ihn fragend an.
    »Sie hat Mrs Beresford ein Glas Milch angeboten. Mrs Beresford wollte keine Milch.«
    »Und dann hat sie die Milch selbst getrunken?«
    Er zögerte. »Ja.«
    »Dr. Mortimer wird bald kommen«, sagte Mrs Perry. Sie wollte Tuppence auf die Beine helfen, aber Tuppence schaffte es allein.
    »Mir fehlt nichts. Es war nur der Schock. Jetzt geht es mir wieder gut.«
    Sie stand vor Sir Philip Starke. Keiner von ihnen wusste, was er sagen sollte. Mrs Perry wartete vor der Geheimtür in der Wand.
    Endlich sagte Tuppence: »Kann ich irgendetwas tun?« Aber es war
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