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Lauter reizende alte Damen

Lauter reizende alte Damen

Titel: Lauter reizende alte Damen
Autoren: Agatha Christie
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gemacht«, sagte Tuppence lächelnd.
    »Da können Sie Recht haben. Sie ist zu allen Leuten sehr unfreundlich, und leider beherrscht sie ihre Kunst meisterhaft. Aber Sie beide sind so verständnisvoll.«
    »Heißt die alte Dame, mit der ich gesprochen habe, Mrs Lancaster?« fragte Tuppence. »Habe ich es richtig verstanden?«
    »Ja. Mrs Lancaster. Wir haben sie alle sehr gern.«
    »Ist sie… ein bisschen seltsam?«
    »Nun, sie bildet sich vieles ein«, sagte Miss Packard entschuldigend. »Das kommt bei einigen unserer Gäste vor. Sie erzählen alles Mögliche. Reine Hirngespinste. Man achtet am besten gar nicht darauf. Ich glaube, es ist eine Art Übung für ihre Phantasie; sie leben gern in ihrer Traumwelt. Manchmal ist sie aufregend, manchmal traurig; ihnen ist das ganz egal.«
    »Na, das hätten wir hinter uns«, sagte Tommy und stieg aufseufzend in das Auto. »Das reicht für die nächsten sechs Monate.«
    Aber auch dann brauchten sie den Besuch nicht zu wiederholen, denn Tante Ada starb drei Wochen später im Schlaf.

3
     
    » B eerdigungen sind etwas Trauriges, findest du nicht auch?«, sagte Tuppence.
    Sie waren gerade von Tante Adas Begräbnis zurückgekommen und hatten eine lange, umständliche Zugfahrt hinter sich; denn Tante Ada war in dem kleinen Dorf in Lincolnshire beigesetzt worden, in dem ihre Vorfahren gelebt hatten.
    »Und was erwartest du von einer Beerdigung?«, fragte Tommy nüchtern. »Ein turbulentes Freudenfest?«
    »Ach, manchmal gibt es so was. Die Iren zum Beispiel haben Spaß an ihren Totenwachen. Erst wird laut geklagt und geweint, und dann gibt’s viel zu trinken und ein wildes Fest. Apropos Trinken!« Sie richtete den Blick auf das Büfett.
    Tommy mixte ihr eine White Lady.
    »So, jetzt geht es mir wieder besser«, sagte Tuppence erleichtert.
    Sie nahm den schwarzen Hut ab, warf ihn quer durch das Zimmer und schlüpfte aus dem langen, schwarzen Mantel.
    »Ich mag keine Trauerkleidung. Sie riecht immer nach Mottenkugeln.«
    »Du brauchst doch keine Trauer zu tragen. Das war ja nur für die Beerdigung.«
    »Das weiß ich. Ich gehe auch gleich rauf und ziehe mir ein knallrotes Kleid an, um die Stimmung zu heben. Machst du mir noch eine White Lady?«
    »Nanu, Tuppence? Ich wusste gar nicht, dass dich Beerdigungen so vergnügungssüchtig machen.«
    »Ich sagte, dass Beerdigungen traurig sind«, erklärte Tuppence, als sie kurz darauf in einem leuchtend kirschroten Kleid wiederkam, auf dessen Schulter sie eine Eidechse aus Rubinen und Brillanten gesteckt hatte. »Weil Beerdigungen wie die von Tante Ada traurig sind. Weißt du, alte Menschen, zu wenig Blumen, zu wenig Leute, die schluchzen und weinen. Ein alter, einsamer Mensch, der keinem fehlt.«
    »Ich hätte doch gedacht, dass du das viel besser durchstehen würdest als zum Beispiel meine Beerdigung.«
    »Da irrst du dich aber sehr. Ich denke nicht gern daran, aber nehmen wir mal an, ich müsste zu deiner Beerdigung gehen, dann wäre das eine Orgie der Trauer. Wie viele Taschentücher ich allein brauchte!«
    »Mit schwarzem Rand?«
    »Daran hatte ich zwar nicht gedacht, aber es ist keine schlechte Idee. Außerdem ist die kirchliche Trauerfeier immer sehr schön. So erhebend, weißt du. Und richtige Trauer ist echt. Man fühlt sich hundeelend, aber es nützt einem. So wie Schweiß, weißt du?«
    »Tuppence! Ich finde deine Betrachtungen über mein Hinscheiden und die Wirkung, die es auf dich haben wird, ganz ungeheuer taktlos. Es gefällt mir gar nicht. Reden wir nicht mehr von Beerdigungen, nein?«
    »Gern. Vergessen wir es.«
    »Die arme alte Schachtel ist tot«, sagte Tommy. »Sie ist friedlich und ohne Schmerzen gestorben. Was wollen wir mehr? – Und jetzt sollte ich das da mal aufräumen.«
    Er ging zum Schreibtisch und wühlte in Papieren herum. »Wo hab ich nur Mr Rockburys Brief?«
    »Wer ist Mr Rockbury? Ach, richtig, der Anwalt.«
    »Ja, der von ihrem Nachlass geschrieben hat. Anscheinend bin ich ihr letzter Verwandter.«
    »Schade, dass sie dir kein Vermögen hinterlassen hat.«
    »Wenn sie eins gehabt hätte, hätte sie es dem Katzenheim vermacht«, erklärte Tommy. »Das schluckt so schon ihr ganzes Barvermögen. Ich glaube nicht, dass für mich etwas übrig bleibt. Ich brauch’s ja auch nicht, und ich will’s auch nicht.«
    »War sie denn so vernarrt in Katzen?«
    »Keine Ahnung. Vermutlich. Aber ich habe sie nie von Katzen reden hören«, sagte Tommy nachdenklich. »Sie hat zu ihren alten Freunden oft und gern gesagt:
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