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Lauter reizende alte Damen

Lauter reizende alte Damen

Titel: Lauter reizende alte Damen
Autoren: Agatha Christie
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dachte, dass Sie sich über Besuch freuen würden.« Miss Packard blieb unverändert freundlich.
    Tante Ada lachte, tief, kurz und böse.
    »Na schön«, sagte Tuppence freundlich. »Wir gehen. Ich lasse dir die Rosen da. Vielleicht gefallen sie dir doch. – Komm, Tommy.« Sie schritt zur Tür.
    »Ja, dann auf Wiedersehen, Tante Ada. Es tut mir Leid, dass du dich nicht mehr an mich erinnerst.«
    Tante Ada blieb stumm, bis Tuppence mit Miss Packard ihren Blicken entschwunden war und Tommy ihr folgen wollte.
    »Du da, komm zurück!« Sie hob die Stimme. »Ich kenne dich genau. Du bist Thomas. Früher warst du rothaarig. Karottenrot. Komm zurück. Mit dir will ich sprechen. Nicht mit der Frau. Blödsinn, zu behaupten, sie sei deine Frau. Setz dich hier in den Stuhl und erzähle mir, wie es deiner lieben Mutter geht. – Und Sie verschwinden!«, rief sie Tuppence zu, die zögernd auf der Schwelle stehen geblieben war. Tuppence zog sich schleunigst zurück.
    »Na, heute ist es aber schlimm mit ihr.« Miss Packard ging gleichmütig neben Tuppence die Treppe hinunter. »Dabei kann sie manchmal ganz reizend sein. Aber das werden Sie mir kaum glauben.«
    Tommy setzte sich auf den angewiesenen Stuhl und sagte freundlich, dass er ihr nicht viel Neues von seiner Mutter berichten könne, da sie seit fast vierzig Jahren tot sei. Tante Ada ließ sich durch diese Tatsache nicht stören.
    »Ist das schon so lange her?«, fragte sie. »Wie die Zeit vergeht.« Sie betrachtete ihn nachdenklich. »Warum heiratest du nicht? Du brauchst eine Frau, die sich um dich kümmert. Du bist auch nicht mehr der Jüngste. Dann müsstest du auch nicht solche Frauenzimmer aushalten und so tun, als wärst du mit ihnen verheiratet.«
    »Beim nächsten Besuch muss Tuppence dir unsere Heiratsurkunde mitbringen«, sagte Tommy.
    »So, du hast ihr also deinen guten Namen gegeben?«
    »Wir sind seit mehr als dreißig Jahren verheiratet, Tante Ada. Wir haben einen Sohn und eine Tochter, die beide auch schon verheiratet sind.«
    Tante Ada wich geschickt aus. »Mir sagt eben keiner was. Wenn du mich auf dem Laufenden gehalten hättest, wie es sich gehört…«
    Tommy gab klein bei. »Entschuldige bitte, Tante Ada«, sagte er. »Weißt du, mit der Zeit lässt leider das Erinnerungsvermögen nach. Und nicht jeder« – er wurde nicht einmal rot dabei – »hat so ein fabelhaftes Gedächtnis wie du.«
    Tante Ada strahlte. Sie strahlte schadenfroh. »Da hast du Recht. Es tut mir Leid, dass ich dich nicht so ganz freundlich empfangen habe, aber ich mag es eben nicht, wenn man sich mir aufdrängt. Und in diesem Haus hier lassen sie einfach jeden herein. Jeden, der kommt. Wenn ich alles glaubte, was diese Leute von sich behaupten, dann würde ich ausgeraubt und in meinem Bett ermordet.«
    »Das halte ich aber doch für sehr unwahrscheinlich.«
    »Sag das nicht!«, rief Tante Ada. »Wenn man nur die Zeitung liest! Und was einem so erzählt wird! Nicht dass ich das alles glaube. Ich bin auf der Hut. Kannst du dir vorstellen, dass sie neulich einen fremden Mann hereingeführt haben – ich habe ihn nie im Leben gesehen. Er nannte sich Dr. Williams. Er behauptete, Dr. Murray sei auf Urlaub, und er sei sein Vertreter. Und woher sollte ich wissen, ob er es wirklich war? Er hat es einfach behauptet!«
    »Und war er es?«, fragte Tommy.
    »Na ja«, räumte Tante Ada ärgerlich ein, »er war’s. Aber woher soll man das wissen? Ich will darauf hinaus, dass hier einfach jeder hereinkommen und behaupten kann, ein Arzt zu sein. Sämtliche Schwestern fangen dann sofort zu strahlen an und sagen: ›Ja, Herr Doktor‹ und ›Natürlich, Herr Doktor!‹ Und wenn die Patientin erklärt, dass sie den Mann nicht kennt, dann sagen diese dummen Gänse, sie sei alt und vergesslich. Ich vergesse nie ein Gesicht!« Tante Ada wurde streng. »Ich habe noch nie ein Gesicht vergessen. Wie geht es deiner Tante Caroline? Ich habe lange nichts von ihr gehört.«
    Tommy musste schuldbewusst gestehen, dass auch Tante Caroline seit fünfzehn Jahren tot war. Tante Ada nahm den Todesfall ohne Bedauern zur Kenntnis.
    »Sie scheinen alle zu sterben«, sagte sie voller Genugtuung. »Sie halten nichts aus. Schwache Herzen, Koronarthrombosen, hoher Blutdruck, chronische Bronchitis und so weiter. Sie sind alle schwächlich. Davon leben die Ärzte. Sie geben ihnen literweise Medizin und pfundweise Tabletten, gelbe, rosa, grüne und sogar schwarze! Brr! Zurzeit meiner Großmutter nahm man Schwefel und Melasse.
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