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Lauter reizende alte Damen

Lauter reizende alte Damen

Titel: Lauter reizende alte Damen
Autoren: Agatha Christie
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ausgemacht«, erklärte Tuppence. »Das war wahrscheinlich das Einzige an dem ganzen Besuch, was dem guten Tantchen Freude gemacht hat. Ich nehme ihr das kein bisschen übel.«
    »Du bist immer nett zu ihr gewesen«, sagte Tommy, »obwohl du sie nicht besonders magst.«
    »Tante Ada kann man nicht mögen«, stellte Tuppence fest. »Ich glaube nicht, dass irgendjemand sie je gemocht hat.«
    »Ach, ich komme einfach nicht gegen das Mitleid an, das ich mit alten Leuten habe.«
    »Ich schon«, sagte Tuppence. »Ich meine, wenn jemand nett ist, tut es mir Leid, wenn er alt und krank wird. Aber wenn du schon mit zwanzig biestig bist und mit vierzig auch noch, und mit sechzig bist du noch viel biestiger, und mit achtzig bist du ein ausgekochter alter Teufel – dann weiß ich wirklich nicht, warum ich mit dir Mitleid haben sollte.«
    »Ja, schon gut«, sagte Tommy. »Sei ruhig realistisch. Aber wenn du auch noch edel sein und mitkommen willst…«
    »Ich will. Schließlich habe ich dich geheiratet, um Freud und Leid mit dir zu teilen. Tante Ada fällt unter Leid. Ich werde ihr Hand in Hand mit dir entgegentreten. Wir bringen ihr einen Blumenstrauß und weiche Pralinen und ein paar Zeitschriften mit. Und du schreibst am besten dieser Miss Sowieso eine Karte und kündigst uns an.«
    »Nächste Woche? Wie wäre es mit Dienstag?«
    »Also Dienstag. Wie heißt die Frau nur? Ich komme nicht auf den Namen – die Domina oder Leiterin oder wie sie sich nennt. Der Name fängt mit P an.«
    »Miss Packard.«
    »Ja.«
    »Vielleicht wird es diesmal anders«, sagte Tommy.
    »Anders? Wie anders?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht passiert was Interessantes.«
    »Unser Zug könnte verunglücken«, schlug Tuppence schon etwas fröhlicher vor.
    »Warum, um alles in der Welt, willst du bei einem Zugunglück dabeisein?«
    »Natürlich will ich das nicht im Ernst. Es war nur…«
    »Was?«
    »Na, das wäre ein Abenteuer, nicht? Vielleicht könnten wir Leute retten und etwas Nützliches tun. Auf jeden Fall wäre es aufregend.«
    »Was für herrliche Aussichten!« rief Tommy.
    »Ja, ich weiß«, gab Tuppence zu. »Aber so etwas denke ich mir eben manchmal aus.«

2
     
    W ie Haus Sonnenhügel zu seinem Namen gekommen war, ließ sich nicht erklären. Es gab keinen Hügel; das Haus lag flach im Gelände, was für seine ältlichen Bewohner auch sehr viel günstiger war. Es hatte einen weitläufigen, aber nicht besonders schönen Garten. Das Gebäude, das aus der Viktorianischen Zeit stammte, war groß und gut instand gehalten. Im Garten standen an sonnigen Plätzen ein paar Gartenstühle und Bänke. Es gab auch eine überdachte Veranda, auf der die alten Damen vor dem Ostwind geschützt waren.
    Tommy klingelte an der Haustür. Eine junge Frau in einem Nylonkittel öffnete. Sie sah erhitzt aus, brachte Tommy und Tuppence in ein kleines Aufenthaltszimmer und sagte atemlos: »Ich sag’s Miss Packard. Sie erwartet Sie und wird gleich herunterkommen. Hoffentlich macht es Ihnen nichts aus, wenn Sie einen Moment warten müssen? Aber die alte Mrs Carraway hat schon wieder ihren Fingerhut verschluckt.«
    »Du lieber Himmel, wie bringt man denn das fertig?«, fragte Tuppence verblüfft.
    »Das macht sie mit Absicht«, erklärte das Hausmädchen.
    »Ziemlich oft sogar.«
    Sie ließ die Besucher allein. Tuppence setzte sich und sagte nachdenklich:
    »Also ich möchte keinen Fingerhut schlucken. Der muss einem doch im Hals stecken bleiben.«
    Sie brauchten nicht lange zu warten, denn bald kam Miss Packard herein und entschuldigte sich. Sie war eine große Frau mit hellbraunem Haar, etwa um die fünfzig, und sie strahlte die ruhige Sicherheit aus, die Tommy so bewundernswert fand.
    »Es tut mir Leid, dass Sie warten mussten, Mr Beresford. Guten Tag, Mrs Beresford. Ich freue mich sehr, dass Sie mitgekommen sind.«
    »Eine der Damen hat etwas verschluckt. Wir wissen es schon«, sagte Tommy.
    »Ach, hat Ihnen Marlene das erzählt? Ja, die alte Mrs Carraway Sie verschluckt ständig etwas. Das ist ein bisschen lästig, wissen Sie. Man kann sie ja nicht immer bewachen. Kinder tun das natürlich auch, aber bei einer alten Frau kommt es einem doch komisch vor. Sie hat es sich angewöhnt, und es wird von Jahr zu Jahr schlimmer. Wenigstens hat es ihr bisher noch nie geschadet, das ist schon ein Lichtblick.«
    »Vielleicht war ihr Vater ein Schwertschlucker«, sagte Tuppence.
    »Ein sehr interessanter Gedanke, Mrs Beresford. Das könnte manches erklären. – Ich habe Miss
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