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Lauter reizende alte Damen

Lauter reizende alte Damen

Titel: Lauter reizende alte Damen
Autoren: Agatha Christie
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Fanshawe gesagt, dass Sie kommen, Mr Beresford, aber ich bin nicht ganz sicher, ob sie es begriffen hat.«
    »Wie geht es ihr denn in letzter Zeit?«
    »Ach, geistig lässt sie leider sehr nach.« Miss Packards Stimme wurde mitfühlend. »Man weiß nie, was sie erfasst und was nicht. Ich habe ihr gestern Abend erzählt, dass Sie kommen, und da hat sie gesagt, das könnte nicht sein, denn jetzt seien keine Schulferien. Sie scheint zu glauben, dass Sie noch im Internat sind. Die armen alten Damen kommen oft mit der Zeit nicht mehr zurecht. Und als ich sie heute Morgen wieder an Ihren Besuch erinnerte, sagte sie, Sie könnten unmöglich kommen, denn Sie seien tot. Na ja«, fuhr Miss Packard heiter fort, »wenn sie Sie sieht, wird sie sich schon erinnern.«
    »Und wie steht es mit ihrer Gesundheit?«
    »Ach, eigentlich nicht schlecht. Aber, um es offen zu sagen, ich fürchte, es wird nicht mehr allzu lange dauern. Sie hat nichts Bestimmtes, aber ihr Herz wird nicht gerade besser. Es ist sogar schlechter geworden. Ich möchte Ihnen das nur sagen, damit Sie vorbereitet sind, wenn es mal plötzlich zu Ende geht.«
    »Wir haben ihr Blumen mitgebracht«, sagte Tuppence.
    »Und Pralinen«, fügte Tommy hinzu.
    »Das ist sehr nett. Darüber wird sie sich bestimmt freuen. Wollen wir jetzt zu ihr gehen?«
    Tommy und Tuppence folgten Miss Packard die breite Treppe hinauf. Als sie im oberen Flur waren, öffnete sich plötzlich eine Tür, und eine alte, sehr kleine Dame kam heraus und rief laut und schrill: »Ich will Kakao! Ich will Kakao! Wo ist Schwester Jane? Ich will meinen Kakao!«
    Eine Frau in Schwesterntracht machte die Nebentür auf und sagte: »Es ist doch alles in Ordnung. Sie haben den Kakao schon vor einer Viertelstunde bekommen.«
    »Nein, Schwester, das hab ich nicht. Das ist nicht wahr. Ich hab keinen Kakao bekommen, und ich bin jetzt durstig.«
    »Gut, dann bringe ich Ihnen noch eine Tasse.«
    »Wie kann ich noch eine Tasse bekommen, wenn ich noch gar keine gehabt habe?«
    Sie gingen weiter. Miss Packard klopfte am Ende des Flurs an eine Tür, öffnete sie und trat ein. »So, Miss Fanshawe«, rief sie fröhlich, »da ist Ihr Neffe.«
    Eine alte Dame setzte sich in dem Bett am Fenster mit einem Ruck auf und lehnte sich gegen die aufgestapelten Kissen. Sie hatte stahlgraues Haar und ein mageres, faltiges Gesicht mit einer großen, scharfen Nase. Sie sah sehr missvergnügt aus. Tommy näherte sich ihr.
    »Guten Tag, Tante Ada. Wie geht es dir?«
    Tante Ada strafte ihn mit Missachtung und wandte sich zornig an Miss Packard. »Wie kommen Sie dazu, einen Herrn in das Schlafzimmer einer Dame zu führen? Zu meiner Zeit war so etwas nicht üblich. Und dann behaupten Sie auch noch, es wäre mein Neffe! Wer ist das? Ein Klempner oder ein Elektriker?«
    »Aber, aber, das ist ja nicht gerade sehr freundlich«, stellte Miss Packard milde fest.
    »Ich bin dein Neffe Thomas Beresford«, sagte Tommy. Er streckte die Pralineschachtel hin. »Ich hab dir Schokolade mitgebracht.«
    »Als ob ich darauf hereinfiele!«, höhnte Tante Ada. »Mir machen Sie nichts vor. Sagen Sie, was Sie wollen. – Wer ist die Frau da?« Sie beäugte Tuppence abfällig.
    »Ich bin Prudence. Deine Nichte Prudence.«
    »Was für ein alberner Name! So heißen Hausmädchen. Mein Großonkel Matthew hatte ein Hausmädchen, das Trostreich hieß. Und die Küchenhilfe hieß Gottes-Lob-und-Preis. Sie war Methodistin. Aber meine Großtante Fanny hat damit Schluss gemacht. Sie hat gesagt, solange sie in ihrem Haus wäre, hieße sie Rebecca, und damit hätte es sich.«
    »Ich habe dir Rosen mitgebracht«, sagte Tuppence.
    »Ich halte nichts von Blumen in einem Krankenzimmer. Sie verbrauchen den ganzen Sauerstoff.«
    »Ich stelle sie in eine Vase«, erbot sich Miss Packard.
    »Das werden Sie nicht tun! Sie könnten mittlerweile wissen, dass ich selber weiß, was ich will.«
    »Du scheinst ja in Hochform zu sein, Tante Ada«, sagte Tommy.
    »Mit dir nehme ich es noch lange auf. Wieso behauptest du, mein Neffe zu sein? Was hast du noch gesagt, wie du heißt? Thomas?«
    »Ja. Thomas oder Tommy.«
    »Von dir hab ich noch nie gehört«, behauptete Tante Ada. »Ich hatte nur einen Neffen, und der hieß William. Der ist im letzten Krieg gefallen. Das war gut so. Aus dem wäre sowieso nichts geworden. Und jetzt bin ich müde.« Tante Ada sank auf die Kissen zurück und sah Miss Packard an. »Bringen Sie sie raus. Sie sollen keine fremden Leute in mein Zimmer lassen.«
    »Ich
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