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Lauter reizende alte Damen

Lauter reizende alte Damen

Titel: Lauter reizende alte Damen
Autoren: Agatha Christie
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Platz.«
    Miss Packard öffnete die Tür des Zimmers, in dem sie Tante Ada zum letztenmal gesehen hatten. Es sah so unbewohnt aus wie alle Zimmer, in denen ein Bett mit einem Überzug zugedeckt ist, unter dem man sauber gefaltete Decken und aufgestapelte Kissen erkennen kann.
    Die Schranktür stand offen; die Kleider waren ordentlich auf dem Bett ausgelegt.
    »Was tun Sie gewöhnlich – ich meine, was geschieht normalerweise mit den Kleidern und der Wäsche?«
    Miss Packard war so hilfsbereit und bewandert, wie man es von ihr erwartete. »Ich kann Ihnen die Adresse von Wohlfahrtsorganisationen geben, Mrs Beresford, die abgelegte Kleidungsstücke nur zu gern nehmen. Ihre Tante hatte eine sehr schöne Pelzstola und einen Mantel aus gutem Stoff. Ihren Schmuck hatte ich an mich genommen und eingeschlossen. Ich habe ihn jetzt in die rechte Schublade des Toilettentischs gelegt.«
    »Vielen Dank für all die Mühe, die Sie sich gemacht haben«, sagte Tommy.
    Tuppence betrachtete gebannt das Bild über dem Kamin. Es war ein kleines Ölgemälde und zeigte ein blassrosa Haus an einem Kanal, der von einer kleinen, hochgewölbten Brücke überspannt wurde. Unter der Brücke war am Ufer ein leeres Boot festgemacht. In der Ferne standen zwei Pappeln. Es war ein reizendes Bild, aber Tommy wusste nicht, warum Tuppence es so intensiv musterte.
    »Komisch«, murmelte sie.
    Tommy sah sie fragend an. Aus langer Erfahrung wusste er, dass Dinge, die Tuppence mit »komisch« bezeichnete, keineswegs komisch waren. »Was meinst du denn, Tuppence?«
    »Es ist komisch. Das Bild ist mir früher hier nie aufgefallen. Und dabei kenne ich das Haus. Ich habe es schon gesehen. Ich erinnere mich genau… Komisch, dass ich nicht mehr weiß, wann und wo es war.«
    »Wahrscheinlich hast du es gesehen, ohne richtig zu merken, dass du es gesehen hast.« Tommy fand seine Worte sehr ungeschickt und ebenso abgedroschen wie Tuppences »komisch«.
    »Hast du es gesehen, Tommy, als wir zum letztenmal hier waren?«
    »Nein. Aber ich habe mich auch nicht gründlich umgesehen.«
    »Ach, das Bild«, sagte Miss Packard. »Nein, das können Sie nicht gesehen haben. Ich bin ziemlich sicher, dass es damals nicht über dem Kamin gehangen hat. Es gehörte einer anderen alten Dame. Miss Fanshawe hat bei ihr das Bild einige Male bewundert, und da hat die Dame es ihr geschenkt.«
    »Aha«, sagte Tuppence. »Aber ich habe trotzdem das Gefühl, das Haus gut zu kennen. Du nicht, Tommy?«
    »Nein.«
    »Dann darf ich Sie allein lassen?«, fragte Miss Packard. »Wenn Sie mich brauchen, stehe ich Ihnen jederzeit zur Verfügung.« Sie nickte ihnen lächelnd zu, ging hinaus und schloss die Tür hinter sich.
    »Ich mag die Zähne dieser Frau nicht«, stellte Tuppence fest.
    »Was stört dich daran?«
    »Sie hat zu viele davon. Oder sie sind zu groß. Damit ich dich besser fressen kann. – Wie die Großmutter von Rotkäppchen.«
    »Du bist ja heute in einer sonderbaren Stimmung!«
    »Bin ich auch. Ich habe Miss Packard immer sehr nett gefunden, heute aber kommt sie mir irgendwie – unheimlich vor. Kennst du das Gefühl?«
    »Nein. – Und nun komm. Wir sind hier, um die Effekten der armen Tante Ada zu sortieren – wie es die Juristen nennen. Das ist der Schreibtisch, von dem ich gesprochen habe, der von Onkel William. Gefällt er dir?«
    »Er ist sehr hübsch. Regency, nicht wahr? Eigentlich schön für die alten Leute, die hierher kommen, dass sie sich ein paar persönliche Dinge mitbringen können. Die Rosshaarstühle gefallen mir nicht, aber der Nähtisch ist reizend. Er ist genau das, was wir für die Fensternische brauchen können.«
    »Gut«, sagte Tommy, »dann lassen wir uns die beiden Stücke schicken.«
    »Und das Bild. Ich finde es so hübsch. Und ich bin sicher, dass ich das Haus schon gesehen habe. – So, jetzt kommt der Schmuck an die Reihe.«
    Sie fanden in der Schublade einige Kameen, ein Florentiner Armband, Ohrringe und einen Ring mit verschiedenfarbigen Edelsteinen.
    Tuppence steckte den Ring an den Finger. »Deborah würde ihn sicher gern haben. Und den florentinischen Schmuck. Sie schwärmt für alles Viktorianische. Aber jetzt müssen wir an die Kleider gehen. Irgendwie kommt mir das schrecklich vor. – Ach, das ist die Pelzstola. Die ist, glaube ich, sehr wertvoll. Aber ich mag sie nicht. Ob hier wohl jemand ist, der besonders nett zu Tante Ada war? Eine Freundin vielleicht? Wir könnten ihr die Stola schenken. Es ist Zobel. Wir fragen Miss Packard. Alles
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