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Lauf, so weit du Kannst!

Lauf, so weit du Kannst!

Titel: Lauf, so weit du Kannst!
Autoren: Tim Bowler
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herein. Mary sieht, wo ich hinschaue, und dreht den Kopf.
    Â»Wir sind fast fertig«, ruft sie.
    Â»Noch ein paar Minuten«, sagt die Krankenschwester und geht.
    Mary wendet sich wieder mir zu.
    Â»Wie kommen Sie zu einer Waffe?«, frage ich.
    Â»Das spielt keine Rolle.« Sie verstummt, als wäre sie sich nicht sicher, ob sie reden will. Dann sagt sie: »Die Knarre ist nur zur Abschreckung. Ich trage sie zu meinem Schutz bei mir. Da sind nur Platzpatronen drin. Ich will niemandem wehtun.«
    Ich schon, Bigeyes. Zuerst dem Dicken und seinen Kumpels. Und dann noch einigen anderen.
    Â»Ich hatte vorher noch nie damit geschossen«, sagt sie. »Aber nach diesem ersten Mal im Bungalow musste ich sie noch mal benutzen …«
    Â»Hinter dem Lagerhaus.«
    Â»Ja.«
    Jetzt wird mir einiges klar. Ich weiß noch, dass ich Schüsse hörte, als ich mit aufgeschlitztem Kopf auf dem Boden lag. Ich dachte, jemand hätte auf mich geschossen. Aber zu diesem Zeitpunkt habe ich schon nichts mehr kapiert und nichts mehr gespürt. Ich war total weggetreten.
    Es sind immer noch Fragen offen.
    Wie hat Mary mich gefunden? Woher weiß sie meinen Namen? Sie gehört weder zu den Schlägern, die hinter mir her sind, noch zu den Leuten, die sie geschickt haben. Sie gehört auch nicht zu den anderen Mistkerlen, die was von mir wollen. Aber ein harmloses Muttchen ist sie auch nicht.
    Bei ihr muss ich aufpassen.
    Sie redet wieder, immer noch leise, aber schneller, als rechne sie damit, dass die Krankenschwester jede Minute zurückkommt. Ich bin froh, dass sie redet. Ich will hören, was sie weiß. Ich will nicht reden, nur zuhören.
    Â»Die Männer rannten aus dem Bungalow. Ich weiß nicht, wohin. Aber ich wusste, dass ich schnell verschwinden musste. Sie konnten jeden Augenblick zurückkommen. Sie würden sich von einer alten Frau nicht lange einschüchtern lassen. Sie würden sich sammeln und zurückkommen.«
    Sie atmet jetzt schnell.
    Â»Ich hob Buffy auf und trug sie in den Garten hinaus. Hinten ist ein kleiner Baum und rechts davon ist der Boden locker. Ich hob hastig ein Grab aus, legte sie hinein und bedeckte sie mit Erde. Dann holte ich meine Sachen aus dem Bungalow und lief weg.«
    Â»Wohin?«
    Â»Das spielt keine Rolle.« Ihre Stimme klingt kurz scharf, wird aber gleich wieder sanft. »Du brauchst nicht zu wissen, wo ich hinging. Ich war zunächst eh ein bisschen durcheinander, ein bisschen verschreckt.«
    Â»Aber Sie haben die Polizei angerufen.«
    Â»Nicht sofort.«
    Sie verstummt wieder, obwohl die Krankenschwester sicher bald zurückkommt. Ich will, dass sie noch mehr ausspuckt. Ich muss noch eine ganze Menge wissen. Sie hat die Bullen also nicht angerufen. Warum nicht?
    Ich weiß es schon, Bigeyes.
    Â»Sie sind auf der Flucht«, sage ich zu ihr.
    Sie antwortet nicht.
    Â»Ja, klar«, sage ich.
    Â»Das kannst du nicht wissen. Du weißt gar nichts über mich.«
    Â»Ich weiß, dass der Bungalow nicht Ihnen gehört.«
    Sie sieht weg. Ich habe Gewissensbisse. Sie hat mir geholfen – mehr als einmal. Wahrscheinlich hat sie mir sogar das Leben gerettet. Ich sollte sie nicht bedrängen. Sie muss mir nichts erzählen. Ich erzähle ihr ja auch nichts.
    Â»Danke«, sage ich.
    Sie blickt mich wieder an. Ihr Gesicht ist immer noch dunkel, aber ich kann erkennen, dass ihre Augen sich bewegen. Sie glaubt mir nicht. Das kann ich ihr nicht verdenken. Ich würde mir auch nicht glauben, wenn ich sie wäre.
    Â»Das war ernst gemeint«, sage ich.
    Sie antwortet nicht. Sie sieht mich nur an.
    Â»Können Sie mir noch mehr erzählen?«, frage ich.
    Sie blickt über ihre Schulter.
    Â»Sie ist noch nicht da«, sage ich.
    Ich habe auch nach der Krankenschwester Ausschau gehalten. Mary schaut sich immer noch prüfend um. Dann wendet sie sich wieder mir zu.
    Â»Ich rief die Polizei an«, sagt sie. »Aber nicht an jenem Tag. Ich war zu fertig mit den Nerven. Aber ich hätte mich dazu durchringen sollen. Das hätte dem armen Mädchen vielleicht das Leben gerettet.«
    Ich antworte nicht. Ich warte nur. Ich will, dass sie zu Ende erzählt. Ich will, dass sie mir alles sagt.
    Â»Ich rief am nächsten Tag an«, sagt sie. »Ohne der Polizei meinen Namen zu nennen. Ich sage dir nicht, warum. Ich beschrieb nur die Männer. Inzwischen war schon bekannt, dass in dem Bungalow ein Mädchen ermordet
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