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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten
Autoren: Jens Lapidus
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geboren wird, wird Fußballprofi, und jedes zweite Autodieb.«
    »Ja, aber wir fahren doch jeden Tag hierher.«
    »Aber nicht genau hierher. Nicht in die Innenstadt.«
    Jorge grinste erneut. »Ich glaub, du bist paranoid. Wir stehen immerhin in einem Parkhaus.«
    Sie stiegen aus. Gingen hinunter in Richtung Storgata. Immer noch schlechtes Wetter. Um sie herum: hauptsächlich Rentner, Kids und Männer mit Bärten, die in den Cafés saßen und Tee tranken.
    Mahmud zeigte in ihre Richtung. »Genauso sieht mein Vater aus. Oder?«
    Jorge nickte. Er wusste: Wenn Mahmud erst einmal richtig loslegte, konnte er sich stundenlang darüber auslassen, inwieweit der Sozialstaat Schweden seinen Vater enttäuscht hatte. Wie Beshar anfänglich keinen Job bekommen hatte, von Sozialhilfe leben musste und dann schließlich einen Job bekam – bei dem er sich jedoch den Rücken kaputtmachte, so dass er für den Rest seines Lebens krankgeschrieben wurde. Und sein Freund hatte recht – aber Jorge hatte keine Kraft, ihm zuzuhören.
    Sie bogen von der Storgata in eine Querstraße ein.
    Jorges Handy klingelte.
    Paola: »Ich bin’s. Was machst du gerade?«
    Jorge dachte: Soll ich sagen, wie es ist?
    Er antwortete: »Ich bin in Södertälje.«
    »In der Bäckerei?«
    J-Boy liebte Paola. Und dennoch packte er es nicht.
    Er sagte: »Ja, ja, klar bin ich in der Bäckerei. Aber lass uns später reden, denn ich steh hier mit ’nem Arm voller Muffins.«
    Sie legten auf.
    Mahmud schielte zu ihm rüber.
    Ein Stück weiter lag das Lokal, das sie ansteuerten: Gabbes Pizzeria.
    Als sie die Tür öffneten, ertönte ein Glöckchen. Die Pizzeria war ’n ziemlich runtergekommener Laden. Die eine Wand bestand aus rohen Ziegeln, an der anderen klebte ein ausgeblichenes Plakat:
Neu – mexikanische Tacopizzen
. Jorge dachte: Wahnsinnsneuheit, die Reklame hing mindestens schon seit den Neunzigern dort.
    Auf den Tischen lagen alte Frauenzeitschriften und Werbebeilagen aus dem Aftonblad. Es war vier Uhr. Das Lokal war völlig leer.
    Aus der Küche kam ein Mann. Mit mehlverstaubter Schürze und einem T-Shirt mit roten Lettern:
Gabbes macht es besser
. Um seinen Hals hingen zwei fette Goldketten.
    Jorge zwinkerte dem Pizzabäcker zu. »Vadúr hat mich geschickt.«
    Der Typ musterte sie. Mahmud bewegte sich nervös hinter Jorge. Der Pizzabäcker verschwand wieder in den Raum hinter dem Tresen. Redete leise mit jemandem oder telefonierte. Kam wieder heraus. Nickte.
    Sie verließen das Lokal durch den Hinterausgang. Ein schwarzer Opel. Jorge checkte kurz den Wagen: Beifahrersitz und Rückbank voll mit Pizzakartons. Der Pizzafritze setzte sich hinters Steuer. Jorge und Mahmud mussten sich hinten zwischen die Kartons zwängen. Sie fuhren langsam aus der City hinaus. Vorbei an der Galeria, dem Amtsgericht, den Parkplätzen. Außerhalb der Stadt schlängelten sich die Ghettohochhäuser wie Bergketten – fast so wie in seiner Heimat.
    Bis jetzt hatte der Pizzabäcker noch kein einziges Wort zu ihnen gesagt.
    Mahmud beugte sich zu Jorge rüber und flüsterte ihm ins Ohr: »Der Typ muss aufpassen, dass er nicht ertrinkt, so viel, wie der wiegt.«
    Jorge flüsterte zurück: »Und wieso?«
    »Na ja, das Gold, das er um den Hals trägt, wiegt doch mehr als ’ne Bowlingkugel. Wenn der Typ das nächste Mal Tomatensoße anrührt und nicht aufpasst, plumpst er wahrscheinlich rein und kommt nicht wieder raus.«
    Jorge musste sich zusammenreißen, um nicht laut loszulachen. Gut, dass Mahmud Witze riss, das löste ein wenig die Anspannung. Eigentlich gab es nichts, wovor sie heute hätten Angst haben müssen. Funktionierte es, dann funktionierte es.
     
    Sie stiegen vor einem Hochhaus aus.
    Der Pizzabäcker drückte auf den Fahrstuhlknopf. Sie warteten. Die Metalltüren quietschten. Eingeritzte Tags, Telefonnummern von angeblichen Nutten, arabische Flüche.
    Sie fuhren nach oben. Jorge verspürte ein Kribbeln im Magen, ähnlich wie bei schnellen Aufzügen. Sechster Stock. Sie stiegen aus. Der Typ nahm ein Schlüsselbund zur Hand. Schloss eine Tür auf. Jorge erkannte den Namen auf dem Briefschlitz: Eden. Es kam ihm vor wie ein Zeichen.
    Die Wohnung wirkte unbewohnt. Keine Mäntel oder Jacken, keine Kleiderhaken, keine Schuhe oder Schuhregale. Weder Teppiche noch Spiegel noch Kommoden. Lediglich eine einsame Glühbirne, die von der Decke im Flur herunterhing. Der Pizzabäcker gestikulierte mit den Händen: Ich muss euch filzen.
    Jorge schaute zu Mahmud rüber. Seinem Kumpel
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