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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten
Autoren: Jens Lapidus
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schien das Lachen inzwischen vergangen zu sein. Jetzt blieb ihnen nichts anderes übrig, als
to go with the flow
.
    Schnelle geschmeidige Bewegungen: die eines Profis.
    Der Pizzatyp gestikulierte erneut: Ihr könnt reingehen.
    Jorge ging vorneweg. Mit kurzen leisen Schritten. Ein Flur. Graue Wände. Schlechte Lichtverhältnisse. Sie kamen in einen größeren Raum. Drei Stühle waren aufgestellt. Der Typ ließ sie allein. Ein anderer Mann kam rein.
    Er trug schwarze Jeans, einen dunklen Kapuzenpulli und eine Sturmhaube über dem Kopf.
    Der Mann sagte: »Willkommen, setzt euch.«
    Die Stühle knarrten. Jorge holte tief Luft.
    Die Person sprach perfekt Schwedisch.
    »Ihr könnt mich den Finnen nennen. Und du, Jorge Salinas Barrio, hast mit meinem Kumpel Denny Vadúr gesessen. Also hab ich allen Grund, dir zu vertrauen. Denn Vadúr kenn ich schon lange.«
    Jorge entgegnete: »Denny ist ’n cooler Typ.«
    Der andere schwieg eine Weile. Dann sagte er: »Ja, er ist in Ordnung. Aber cool ist er nicht, das waren deine Worte. Er redet nämlich zu viel. Und letztens hat er sich ziemlich blamiert. Du weißt ja, wo du ihn kennengelernt hast. Er hat versucht, ’n eigenes Ding zu drehen. Dann passiert eben so was. Bei mir läuft’s jedenfalls anders.«
    Es klang, als würde der Finne irgendetwas kauen – er machte am Ende jedes Satzes ein schmatzendes Geräusch.
    Jorge wartete auf die Fortsetzung.
    Der Finne sagte: »Ihr habt mich aufgesucht, weil ihr ein Rezept haben wollt.«
    »Ja.«
    »Das ist natürlich nichts, was man einfach so aus den Händen gibt. Das versteht ihr doch, oder?«
    »Ja klar, es kostet was.«
    »Es kostet was, ganz genau. Aber das ist nicht alles. Es geht auch um das richtige Feeling. Ich muss mich zu hundert Prozent auf alle Beteiligten verlassen können. Lasst es mich so ausdrücken: Ich handele mit Plänen. Ich verkaufe ein Konzept. Ein Rezept. Aber ein Konzept alleine, so gut es auch sein mag, funktioniert nur, wenn die richtigen Leute dabei sind. Es handelt sich um ein Ganzes. Versteht ihr?«
    Jorge nickte, ohne etwas zu erwidern. Er war sich nicht sicher, ob er alles kapierte.
    »Ihr könntet die Richtigen sein. Ihr könntet die Teile dessen ausmachen, was sich am Ende zu einem Ganzen formt.«
    Jorge und Mahmud trauten sich nicht, ihn zu unterbrechen.
    Der Typ begann wieder zu schmatzen. »Ich möchte, dass ihr fünf Jungs zusammenbekommt, denen ihr vertraut. Aber es dürfen keine Idioten sein. Und dann will ich eine Liste mit ihren Namen und Personennummern haben. Von Hand geschrieben.«
    Jorge wartete ab, ob noch mehr kommen würde. Doch der Finne schwieg.
    Schließlich sagte Jorge: »Kein Problem, das kriegen wir hin.«
    »Aber das reicht nicht. Wisst ihr, was ihr noch alles braucht?«
    Erneut Stille. Jorge wusste nicht recht, was er antworten sollte. Das Ganze kam ihm merkwürdig vor. Dass es so zugehen würde, hatte er sich nicht vorgestellt. Er hatte eher ’nen Typen erwartet, der ähnlich war wie er selber, vielleicht ’n paar Jahre älter; einen Ghettomann, der es geschafft hatte. Ein hohes Tier, das es aus eigener Kraft zu etwas gebracht hatte. Sich mittlerweile zurücklehnen und andere die Drecksarbeit erledigen lassen konnte. Aber diese Nummer hier mit Sturmhaube und hochtrabendem Geschwafel – es war ja okay, dass die Leute anonym bleiben wollten, aber es erinnerte eher an einen Sjöwall-Wahlöö-Film als an die Realität.
    Zugleich wusste Jorge: Das Ganze war echt. Er hatte Storys von Kumpels und deren Kumpels im Knast und in Sollentuna gehört: Diejenigen, die auf den Rezepten saßen, waren seriös. Sorgfältig. Übervorsichtig.
    Mahmud warf Jorge einen Blick zu. Er musste langsam mal was sagen.
    Er antwortete: »Man braucht ziemlich viel. Zum Beispiel ’ne vernünftige Planung. ’ne gute Organisation.«
    Der Finne griff den Einwurf unmittelbar auf. »Das stimmt. Aber hört mir gut zu und merkt euch Folgendes. Hier kommt mein erster Tipp. Kein einziges von den Dingern im großen Stil hat jemals funktioniert ohne eine Person von drinnen. Man braucht einen Insider, das ist der grundlegende Teil eines jeden Coups. Jemanden mit Einblick und möglichst auch Zugang zum betreffenden Geldtransport. Und genau solche Leute hab ich schon vor langer Zeit dort eingeschleust.«
    Jorge brachte lediglich heraus: »Heller Wahnsinn.«
    »Das kann man wohl sagen. Derjenige, mit dem ich am längsten in Kontakt stehe, hat über sieben Jahre in der Sicherheitsbranche gearbeitet. Er ist mit allen
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