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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten
Autoren: Jens Lapidus
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Prolog
    Es war das zweite Mal in meinem Leben, dass ich wegen eines Jobs nach Stockholm gefahren bin.
    Beim ersten Mal war ich zu einer Hochzeitsfeier hier, als Leibwächter eines Gastes. Es war vor siebzehn Jahren, und damals war ich noch jung. Ich erinnere mich noch daran, wie ich mich darauf gefreut hatte, am nächsten Tag in Stockholm einen draufzumachen und Blondinen aufzureißen. Die Hochzeit fand, verglichen mit den Feiern in meinem Heimatland, im großen Stil statt. Die Leute meinten allerdings, dass sie selbst in Schweden als aufwendig galt; es waren ungefähr dreihundert Gäste geladen. Und man muss sagen, sie war stilvoll. Das frisch vermählte Paar kam in Winterpelzen aus der Kirche. Sie hatten ein kleines Kind bei sich, ein süßes Mädchen; auch das Kind trug einen Pelz. Das Brautpaar wurde vor der Kirche mit einem Schlitten abgeholt, den vier Schimmel zogen. Ihre kleine Tochter stand mit ihrem Babysitter auf der Kirchentreppe und winkte. Die Luft war klar, der Schnee funkelte, und der Himmel war blau. Ich weiß noch, was ich dachte: Schweden muss das sauberste Land der Welt sein. Dann betrachtete ich die Gesichter der Gäste. In einigen von ihnen spiegelte sich Freude und in anderen Bewunderung. Doch eins offenbarten sie alle – Respekt.
     
    Derjenige, der damals heiratete, war der, um den ich mich nun kümmern sollte: Radovan Kranjic. Es war eine Ironie des Schicksals – den Beginn seines neuen Lebens mitverfolgt zu haben, das ich jetzt beenden sollte.
    Ich bin eigentlich keiner, der Gefühle zeigt. Im Gegenteil, ich töte mich
selbst sozusagen vor jedem Auftrag. Ich bin angeheuert, bezahlt, unabhängig – in dem, was ich tue, liegt nichts Persönliches. Doch dieses Mal nach Stockholm zu kommen, hatte in gewisser Weise etwas Vollkommenes.
    Der Kreis würde sich schließen. Ein gewisses Gleichgewicht würde wiederhergestellt werden.
    Doch dann passierte etwas.
    Ich hatte den ganzen Tag im Volvo gesessen. Als ich in mein Zimmer hochkam, beschloss ich, meine Handfeuerwaffen zu reinigen. Ich hatte sie in Dänemark über Kontakte besorgt – seit dem sogenannten Krieg der Amerikaner gegen den Terrorismus reise ich nicht mehr mit Waffen in EU -Länder ein.
    Es waren ein Accuracy International L96A1 – ein Scharfschützengewehr der hochwertigeren Art – und eine Makarow. Ich nahm sie auseinander und legte sie auf einem Tuch aufs Bett, glänzend und gereinigt. Die dritte Waffe, einen Revolver, hielt ich in der Hand.
    In dem Moment wurde die Tür geöffnet. Ich musste feststellen, dass ich vergessen hatte, sie abzuschließen, was ich sonst immer tue.
    Es war eine Putzfrau. Ich fragte mich, in was für einem beschissenen Hotel ich eigentlich wohnte, in dem das Personal nicht vorher anklopfte.
    Sie starrte ein paar Sekunden lang auf meine Waffen. Dann entschuldigte sie sich und machte Anstalten, das Zimmer rückwärts wieder zu verlassen.
    Doch es war zu spät; sie hatte bereits zu viel gesehen. Ich stand auf, hielt den Revolver hoch und bat sie, ins Zimmer hereinzukommen.
    Sie wirkte völlig verängstigt. Ich hab Verständnis dafür; es war ja auch beabsichtigt. Ich forderte sie auf, ihren Putzwagen ebenfalls ins Zimmer hereinzuziehen, und dann schloss ich die Tür hinter ihr. Die ganze Zeit über richtete ich meine Waffe auf sie. Dann ließ ich sie das Zimmer putzen.
    Sie benötigte maximal zehn Minuten; man merkte, dass sie erfahren war. Sie saugte Staub auf dem kleinen Stück Fußboden, wischte sämtliche Oberflächen und reinigte das Waschbecken und die Toilette. Es war mir wichtig, dass es sorgfältig erledigt wurde.
    Währenddessen packte ich meine Tasche.
    Als sie fertig war, bat ich sie, in den Korridor hinauszuschauen und zu
kontrollieren, ob jemand zu sehen war. Er war leer. Ich schob sie vor mir aus dem Zimmer und forderte sie auf, ein anderes Zimmer aufzuschließen. Sie öffnete eines, das zwei Türen entfernt lag.
    Wir gingen hinein. Es herrschte totale Unordnung. Derjenige, der darin wohnte, genoss es offensichtlich, Hotelputzfrauen zu ärgern.
    Ich schloss die Tür.
    Sie schaute mich an.
    Ich hielt ein Kissen hoch.
    Ich hob den Revolver und schoss ihr durch das Kissen hindurch ins Auge.

Teil I
    1
    Heute Abend war das Striplokal in der Roslagsgata angesagt. Jorge schaute sich im Lokal um: rote Spots an der Decke, Sessel mit Samtbezügen im Raum verteilt und Neonreklame für Heineken an den Wänden. Runde Tische mit Wachsflecken, Bierflecken – er wollte gar nicht wissen, mit welchen
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