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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten
Autoren: Jens Lapidus
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anderen Flecken sonst noch. Eine Bar an einer Längsseite, ein DJ in einer Ecke, eine kleine Bühne an der gegenüberliegenden Längsseite. Die Stripstange bisher noch ohne Bräute. Aber hinter der Bar: vier Mädels, die mehr Haut als Kleider zeigten und Schampus ausschenkten. Bald würden sie sich um die Stange winden. Den Jungs alles von sich zeigen.
    Nicht gerade das absolute Luxusfeeling. Aber egal – die Leute sorgten für Stimmung. Jorge erkannte viele wieder. War gemeinsam mit seinem Cousin Sergio und seinem Kumpel Javier hergekommen. Er erblickte Mahmud weiter hinten in einem der Sessel – der Hermano nippte an einem Glas Schampus. Alberte mit seinen Kumpels rum: Tom Lehtimäki, Robban, Denko, Birra.
    Jorge nickte in Mahmuds Richtung und zwinkerte ihm mit einem Auge zu. Signalisierte: Ich hab dich gesehen, mein Freund, wir quatschen später. Sie mussten über morgen reden. J-Boy konnte es kaum abwarten. Mit ein bisschen Glück hatten sie ’n Riesending am Laufen. Der Schritt zurück ins G-life. Weg vom M-life. M wie in Muffins.
    Jorge hatte letzte Nacht schlecht geschlafen. Der Grund: Agent Smith gegen Neo. Das Dunkle gegen das Helle. Das eingefahrene Schwedenleben: zehrte.
The dark side
. Zugleich: das Ding, das sie drehen wollten – supercool. Das Gute würde eine Chance bekommen – wenn sie nur erst unterwegs zu diesem Treffen morgen wären, würde sich schon alles irgendwie regeln.
    Vielleicht.
     
    »Der Ausreißer!«
    Jorge warf einen Blick zur Seite.
    Babak kam auf ihn zu. Mit offenen Armen – und falschem Lächeln. Der Iraner umarmte ihn. Klopfte ihm auf den Rücken. Traktierte ihn mit verbalen Messerstichen. »Und wie läuft das Café, mein Freund? Bist du sicher, dass die Marge bei Kebab nicht viel größer ist als bei Kaffee?«
    Jorge zog seinen Kopf zurück. Beäugte den Typen aus dreißig Zentimetern Entfernung. Hielt ihm sein Geschenk hin: einen Dom Pérignon 2002 – ziemlich edel.
    Babak: Mahmuds ältester Homie. Babak: iranischer Dealerprophet, Fotzenmagnet mit ’nem superheftigen Ghettostil – zumindest nach seiner eigenen Auffassung. Babak: hat den Aufstieg geschafft, den Jorge selbst einmal angepeilt hatte. Hatte die Karriere eingeschlagen, die eigentlich ihm vorbehalten war. Hatte ganz unten auf der Straße angefangen. Sich ’nen Durchblick verschafft. Den Markt im Stil der Leute von Stureplan an sich gerissen – wie es bei den Vorortstypen üblich ist, nur noch tausendmal krasser. Hatte die Zukunft vorhergesehen. Koks: heutzutage zu Hause bei Zwanzigjährigen angesagter als Gras bei Fünfzehnjährigen.
    Es hätte Jorges Spiel werden können. Sein Ding. Aber daraus wurde nichts.
    Und heute lud der Iraner alle Jungs ins Lokal ein. Feierte mit Stripperinnen, Champagner und Freibier an der Bar. Die Einladungskarte war Jorge von irgendeinem Underdog Babaks persönlich in die Hand gedrückt worden. Gedruckt in gotischen Lettern.
Feiere wie ein echter Gangster! Ich werd 25 und lad zu Bubble, Buffet und Bräuten ein. Red Light Club in der Roslagsgata. Komm, wie du bist.
    Nervig wie ’n Mückenstich am Arsch: Babaks Art. Die leuchtenden Augen des Iraners. Sein Tonfall: wie ’ne Ladung Spucke ins Gesicht. Der kleine Schwachkopf wusste, dass Jorge und Mahmud jeden Tag schufteten wie rumänische Huren an ’nem Samstagabend. Wusste, dass sie nicht mal die Hälfte an Para [1] im Monat von dem einnahmen, was er selber in einer Woche einnahm. Wusste, dass die Jugos extra Cash für ihre Beschützerdienste abzogen. Wusste ganz sicher, dass die Idioten vom Finanzamt wie die Kletten an ihnen hingen. Hundert Prozent: Die Babakfotze kapierte, dass das Caféleben für J-Boy nicht funktionierte.
    Was Jorge nicht begriff war, dass Mahmud dem Typen nicht einfach mal eins auf die Fresse gab und den Kontakt abbrach. Es war zum Kotzen.
    Aber die größte Scheiße von allem war das Wort, was Babak vorhin benutzt hatte – Ausreißer. Dieses Wort … ganz ehrlich, Jorge ertrug es einfach nicht. Ausreißer – was für ’n Bullshit. Babak trat regelrecht auf einen ein, wenn man bereits am Boden lag. Drehte das Messer noch mal extra im Fleisch herum, streute Chili in die Wunde.
    Es war inzwischen fast fünf Jahre her, seit Jorge aus Österåker abgehauen war. Klar, viele Jungs da draußen hatten seine Story schon tausendmal gehört. Ein Klassiker in Sachen Idol unter den Leuten aus den Hochhäusern. Ein Märchen, von dem man träumt, wenn der Zement in den Wänden der Zelle einen zu ersticken
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