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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten
Autoren: Jens Lapidus
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der Winter zog sich langsam zurück.
    Mahmud stellte die Sitzheizung auf seiner Seite ab. »Also, mir wird zu heiß am Sack, davon wird man ja steril.«
    »Hast du etwa vor, Vater zu werden, oder was? Und wem willst du ’n Kind machen? Beatrice?«
    Mahmud drehte sich zur Seite. »Beatrice ist richtig gut darin, Latte zu verkaufen, aber sie ist bestimmt ’ne ziemlich miese Mutter.«
    »Sie ist verdammt nochmal überhaupt nicht gut im Kaffeeverkaufen. Wir sollten jemand Neues anstellen.«
    »Ja, aber nicht so ’n hübsches Mädel; das pack ich einfach nicht.«
    Sie fuhren rechts an Ikea vorbei. Jorge musste an seine Schwester denken. Paola liebte Ikea. Sie versuchte, ihr Zuhause dementsprechend einzurichten. Bücherregale aufzustellen, bei denen es hundert Jahre dauerte, bis man kapierte, wie sie zusammengeschraubt werden mussten. Eingerahmte Poster mit Haken in verputzte Wände zu schlagen, die sich jedes Mal nach ein paar Stunden wieder lösten. Sich ein Leben aufzubauen. Sich anzupassen. Doch was glaubte sie, wohin sie das letztlich führte? Nur weil sie versuchte, Schwedin zu sein, würde sie noch lange keine werden.
    Sie war naiv. Dennoch: Jorge liebte sie und Jorgito mehr, als ihm guttat.
    Mahmud faselte von Babaks Fest am Vortag. Welche der Stripperinnen am heißesten war. Ob Robert oder Tom eine von ihnen rumgekriegt hatten. Ob Babak oder Peppe derjenige war, der mehr Cash machte. Jorge konnte es nicht mehr hören – die ganze Zeit diese Vergötterung des Persers.
    Draußen vor dem Fenster: der Bahnhof von Tumba. Über der Straße hing ein Schild mit der Aufschrift Alby. Mahmud drehte sich erneut zur Seite: »Mein Revier liegt da hinten. Das weißt du ja.«
    »Machst du Witze? Du hast dir doch Tattoos von Alby und der roten U-Bahnlinie über den ganzen Körper stechen lassen. Natürlich weiß ich das.«
    »Und jetzt sind wir auf dem Weg nach Södertälje, das ist praktisch auch mein Revier.«
    »Und? Du bist doch schon oft dagewesen.«
    »Aber stell dir nur mal vor, ich kenn den Typen, den wir nachher treffen werden.«
    »Kann ich mir nicht vorstellen. Denny nennt ihn den Finnen. Du kennst doch überhaupt keine Finnen außer Tompa Lehtimäki, oder?«
    »Nee, aber vielleicht ist er gar kein Finne. Vielleicht ist er aus den südlichen Vororten. Du weißt ja, vor ein paar Jahren ging hier richtig was ab. Der Bandenkrieg gegen Eddie Ljublic und seine Leute. Wenn der Finne von hier ist, war er vielleicht sogar dabei. Und dann besteht zu fünfzig Prozent das Risiko, dass er sich auf die falsche Seite geschlagen hat. Dass er einer der Fotzen war.«
    »Wieso fünfzig Prozent? Das Risiko ist doch viel geringer.«
    »Ja und nein. Entweder war er einer der Fotzen oder nicht, das sind die Alternativen. Das eine oder das andere, das macht ja wohl fünfzig-fünfzig. Also ich finde, man kann sagen, dass es fünfzig Prozent sind.«
    Jorge grinste. »Du bist schon ’n komischer Kauz.«
    Zugleich türmten sich in seinem Kopf Fragen über Fragen auf. Wer war eigentlich derjenige, den sie treffen würden? Und woher wussten sie, dass es sich nicht um einen Bullen-Infiltranten handelte? Würde es zu einem Deal mit ihm kommen? Und wenn nicht, was würden sie dann mit dem Finanzamt und den Jugos machen? Der schwedische Staat und der Staat der Unterwelt waren schließlich dabei, ihr Café zugrunde zu richten.
    Das Gebläse im Wagen rauschte. Die Scheibenwischer quietschten.
    Sie waren möglicherweise unterwegs zu ihrem größten Ding aller Zeiten.
    Möglicherweise: unterwegs zu einem Neustart.
     
    Zwanzig Minuten später. Södertälje. Die Vorstadt, in die sie jeden Morgen abwechselnd fuhren. Der Ort, in dem die Linksextremisten Lebensmittelgeschäfte niederbrannten, auf dessen Polizeigebäude die Kids aus Ronna mit Maschinengewehren feuerten, in dem das X-Team Krieg gegen die islamistische Muslimbruderschaft führte und die Industriebäckereien das saftigste Ciabatta nördlich von Italien backten. Die Stadt, von der aus Suryoyo- TV und Suryoyo-Sat in die ganze Welt ausgestrahlt wurden; der Ort, der eigentlich Klein Bagdad genannt wurde.
    Södertälje: der Ort, von dem gerüchteweise behauptet wurde, dass dort über die Hälfte aller Überfälle auf Geldtransporter in ganz Schweden geplant wurden.
    Sie parkten in einem Parkhaus in der Innenstadt hinter der Fußgängerzone.
    Mahmud nahm ein Lenkradschloss zur Hand.
    Jorge fragte: »Was hast du denn vor?«
    »Das hier ist Södertälje, musst du wissen. Jedes erste Kind, das hier
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