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Laqua - Der Fluch der schwarzen Gondel

Laqua - Der Fluch der schwarzen Gondel

Titel: Laqua - Der Fluch der schwarzen Gondel
Autoren: N Blazon
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hielt ihr eine Locke aus der Stirn. Nonna hatte darauf bestanden, dass sie alle am Festabend »anständig aussahen«. Für Kristina hatte sie deshalb aus irgendeinem Schrank ein altmodisches lila Kleid mit einem weißen Spitzenkragen und einer Silberbrosche hervorgezerrt. Es war ein bisschen zu groß, und es roch nach Lavendel, aber es war immer noch besser als Jans Verkleidung.
    Nonna setzte ihr Glas hart auf dem Tisch auf. »Ach ja, Sara, wann, sagtest du doch gleich, reist du mit den beiden wieder zurück nach Deutschland?«
    Jan hätte sich fast an seinem Orangensaft verschluckt.
    »Wir sind nicht taub«, meldete Kristina sich zu Wort. »Außerdem verstehen wir ganz gut Italienisch. Papa hat es uns beigebracht. Und wir haben es uns nicht ausgesucht, über Weihnachten herzukommen.«
    »Genau!«, ereiferte sich Jan trotzig. »Das war ganz allein Tante Saras Idee. Von mir aus können wir gleich wieder zurückfahren. Und es ist fies, dass ich hier nicht Skateboard fahren darf!«
    Nonna sah die Geschwister so verwundert an, als wären sie zwei Hauskatzen, die überraschenderweise zu sprechen begonnen hatten.
    »So, so, aha«, sagte sie mürrisch. »Na, von ordentlichem Italienisch seid ihr aber noch ein gutes Stück entfernt.« Und, an Sara gewandt, fügte sie hinzu: »Was denkst du dir eigentlich? Jahrelang weigerst du dich, nach Venedig zu kommen und jetzt platzt du hier aus heiterem Himmel mit zwei Kindern rein. Noch dazu wie ein Überfallkommando am Weihnachtstag.«
    »Wir fahren zurück, sobald in Flavios Wohnung der Wasserrohrbruch repariert ist und die Böden wieder trocken sind«, antwortete Sara. »In ein oder zwei Wochen.«
    »Ein oder zwei Wochen?«, rief Nonna entsetzt aus. »Warum hast du sie nicht zu dir nach Berlin mitgenommen?«
    Sara zuckte zusammen und schluckte. »Weil das in der WG eben nicht ging«, murmelte sie.
    »So, so«, schnappte Nonna. »Und was ist mit den Verwandten ihrer Mutter? Haben die kein Herz für Halbwaisen?«
    Kristina starrte Nonna nur fassungslos an. Ihre Mutter war bei Jans Geburt gestorben. Neun Jahre war das nun her. Aber trotzdem traf das Wort Halbwaise sie imm er noch wie ein Schlag. Wie konnte ihre Urgroßmutter nur so gemein sein? Andererseits war die alte Frau offenbar einfach herzlos: Als Sara mit elf Jahren zur Waise geworden war, hatte Nonna sie nicht zu sich genommen, sondern sie schlichtweg zu deren erwachsenem Bruder Flavio – Jans und Kristinas Vater – nach Deutschland abgeschoben.
    Jetzt bekam auch Tante Sara rote Flecken auf den Wangen. Ein sicheres Zeichen, dass sie wütend wurde.
    »Die Verwandtschaft ihrer Mutter lebt nun mal sehr weit weg in Schweden«, erklärte sie mit mühsamer Beherrschung. »Wir hätten fliegen müssen und Kristina hat Höhenangst. Außerdem haben sie die Kinder seit Jahren nicht gesehen.«
    »Aber ich, was?«, grummelte Nonna. »Und warum sind sie nicht bei ihrem Vater?«
    Sara schnaubte. »Das habe ich dir doch schon erklärt. Flavio ist bis Mitte Februar auf Geschäftsreise in Afrika. Es ist ein sehr wichtiger Auftrag, er konnte die beiden nicht mitnehmen. Und bis er zurückkommt, kümmere ich mich um sie.« Sie seufzte, als wäre das eine Strafe. Was es für sie vermutlich auch war. Aber als ihr Bruder, der immer für sie da gewesen war, sie gebeten hatte, sich um ihre Nichte und ihren Neffen zu kümmern, hatte sie nicht Nein sagen können. »Und außerdem«, setzte Sara spitz hinzu, »du bist die Urgroßmutter der Kinder. Andere Nonnas würden sich freuen, ihre Familie endlich einmal an Weihnachten um sich zu haben!«
    Nonna verzog den Mund, als hätte sie Zahnschmerzen, aber sie sagte nichts mehr. Sara hatte gewonnen. Aus dem Augenwinkel konnte Kristina erkennen, dass Jan schief grinste. Aber sie traute sich immer noch nicht, ihren Bruder direkt anzuschauen. Sonst, das wusste sie ganz sicher, würde sie trotz allem losplatzen und nicht mehr aufhören zu lachen. Und Sara hatte ihnen eingeschärft, ihre bärbeißige Urgroßmutter nicht durch Herumgetobe oder lautes Gelächter noch mehr zu reizen.
    Es blitzte. Die unzähligen alten Spiegel in dem Raum wurden für einen Augenblick ganz hell, als wären es riesige, zwinkernde Augen. Dann gab es einen so lauten Donnerschlag, dass Kristina beinahe das Glas aus der Hand gefallen wäre. Fensterscheiben zitterten.
    Selbst ihre unerschütterliche Urgroßmutter schaute besorgt zum Fenster, als würde sie irgendetwas Schlimmes befürchten. Dort wo Kristina saß, konnte sie in einem ovalen
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