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Mach's falsch, und du machst es richtig

Mach's falsch, und du machst es richtig

Titel: Mach's falsch, und du machst es richtig
Autoren: Christian Ankowitsch
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    Einleitung Heilsame Zumutungen
    Wie es kommt, daß wir leichter einschlafen können, wenn wir versuchen, wach zu bleiben; warum Ärzte ihren Patienten mitunter das Falsche verordnen, ihnen damit das Leben schwermachen und schließlich doch das Richtige für sie erreichen; und wie wir es anstellen, persönlich von diesen Erkenntnissen zu profitieren.
    Alles begann damit, daß ich nicht einschlafen konnte. Erst versuchte ich, nicht darüber nachzudenken – und blieb wach. Dann sagte ich mir vor, endlich müde zu werden – und wurde noch wacher. Schließlich malte ich mir aus, wie erschöpft ich anderntags sein würde, wenn ich nicht
sofort
einschlief – und blieb erst recht wach. Nach ein paar Wochen wuchs sich die Sache zu einem Problem aus. War ich früher unbekümmert zu Bett gegangen und kurze Zeit später eingeschlafen, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, begann ich mich nun vor der Schlaflosigkeit zu fürchten. Jeden Tag ein wenig mehr. Und je stärker ich versuchte, diese Furcht zu verdrängen, desto hartnäckiger beschäftigte sie mich. Wie lange würde ich mich heute abend wieder schlaflos im Bett wälzen? Wann würde dieses Schreckgespenst endlich verschwinden? Woher war es überhaupt gekommen?
    Ich fing an, mich umzuhören, und bekam viele Ratschläge. Keiner von ihnen half. Und die vereinzelten, die womöglich doch hätten helfen können, waren ungesunde Notlösungen. Irgendwann stieß ich dann auf folgende Empfehlung: «Wenn Sie nicht einschlafen können», lautete sie, «dann versuchen Sie, unbedingt wach zu bleiben.» Weil sie so absurd klang, jedoch einfach zu realisieren war, und mir ohnehin schon alles egal war, legte ich mich an diesem Abend hin, starrte mit offenen Augen an die Decke und tat, wie mir geheißen. Mit dem Ergebnis, daß ich nicht mehr dazu kam, darüber nachzudenken, wie eigenartig das aussehen mußte, wie ich da mit weit aufgerissenen Augen im Bett lag, weil ich wenige Minuten später – eingeschlafen war.
    Erst hielt ich das Ergebnis meines kleinen Selbstversuchs für einen Zufall. So müde, wie ich mittlerweile war, hatte es irgendwann klappen müssen mit dem Einschlafen. Als es mir dann aber gelang, meine Schlaflosigkeit ein zweites, ein drittes und ein viertes Mal zu überlisten, ließ mich die Frage nicht mehr los: Wie kommt es, daß ich mein Ziel erreichen konnte, indem ich mich um dessen exaktes Gegenteil bemühte? Wie hatte es klappen können, etwas Falsches zu tun und damit das – zumindest für mich – Richtige zu erreichen?
    Ich sah mich ein wenig um und stieß bald auf eine Reihe weiterer Beispiele, die allesamt zeigten, daß wir mitunter erfolgreicher sind, wenn wir uns paradoxer, also erst einmal widersinnig erscheinender Strategien bedienen, um unsere Ziele zu erreichen. Was diese Beispiele noch bemerkenswerter machte, war der Umstand, daß sie von anerkannten Wissenschaftlern stammten und diese Wissenschaftler begründen konnten, warum man zum Beispiel leichter einschlafen kann, wenn man sich bemüht, wach zu bleiben.
    Die folgende Geschichte hat mich aus mehreren Gründen besonders beeindruckt. Zum einen zeigt sie, daß die «Kunst der paradoxen Lebensführung» sogar dazu in der Lage ist, das Leben eines kranken Kindes radikal zum Besseren zu wenden; daß diese «Kunst» oft nur kleiner Eingriffe bedarf; und daß der Mut von engagierten Ärzten, Psychologen und deren jungen Patienten belohnt wird. Denn Mut ist eine der Grundvoraussetzungen, wenn wir uns daranmachen, die gewohnten Wege zu verlassen – und in die entgegengesetzte Richtung losmarschieren. Mut, die eigenen Vorstellungen in Frage zu stellen. Und Mut, die Ratschläge der anderen in den Wind zu schlagen, die es zwar gut meinen, aber auf die Frage, wie wir schneller einschlafen können, doch nur das Glas Wein oder die Baldrianpillen zu nennen wissen. Die Geschichte von Martin beginnt hoffnungslos – und endet auf eine so optimistische Weise, daß ich sie mir immer wieder in Erinnerung rufen werde, für den Fall, daß ich wieder einmal nicht weiterweiß.
    Als Martin in die Klinik kam, wollte er nicht mehr. Der Elfjährige lag da, sah mit seinen dunklen grünen Augen von einem Erwachsenen zum anderen und ertrug unbeteiligt, was man sich für ihn ausgedacht hatte. Martin hatte eine schwerkranke Mutter. Und er selbst litt an chronischen Schmerzen. Es war nicht mehr zu rekonstruieren, woher sie kamen. Die einen in der Familie sagten, sie hätten mit einer heftigen
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