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Laqua - Der Fluch der schwarzen Gondel

Laqua - Der Fluch der schwarzen Gondel

Titel: Laqua - Der Fluch der schwarzen Gondel
Autoren: N Blazon
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nach. Sie erschrak, als sie leise Schritte hörte. Kinderfüße tappten auf den Steinboden. Aber es war nur Jan, der es in dem zweiten, kleineren Bett am Fenster nicht ausgehalten hatte.
    »Kannst du auch nicht schlafen?«, flüsterte sie in die Dunkelheit.
    Jan gab keine Antwort, sondern kletterte zu ihr ins Himmelbett und wärmte seine Eisfüße an ihren Beinen.
    »Ich will wieder nach Hause«, jammerte er.
    »Ich auch, aber das geht nicht. Unsere Wohnung hat einen Wasserschaden, und bis alles wieder trocken ist, stehen unsere ganzen Sachen auf dem Dachboden.«
    Jan seufzte tief und Kristina musste plötzlich schwer schlucken. Noch nie hatte sie sich so sehr nach zu Hause gesehnt, nach Faulenzen und Telefonieren und Schlittschuhlaufen mit ihren Freundinnen. Und wie jedes Jahr sehnte sie sich auch völlig unvernünftig nach ihrer Mutter, an die sie sich kaum noch erinnerte. Mit jedem Weihnachtsfest schien das Bild der sanften blonden Frau, die ihr so oft vorgesungen hatte, mehr zu verblassen. Inzwischen war sie fast nur noch ein fernes Echo in Kristinas Erinnerungen.
    »Glaubst du, das Geisterkind kommt wieder?«, fragte Jan leise.
    »Ich glaube nicht, dass es ein Gespenst war«, erwiderte Kristina beruhigend.
    »Echt nicht? Wieso?«
    »Gespenster werden doch nicht nass, oder?«
    Jan atmete hörbar auf. »Nein«, murmelte er erleichtert. »Und war es ein Junge oder ein Mädchen?«
    Kristina zögerte. Plötzlich war ihr auch ein bisschen kalt. Und sie wünschte sich, sie hätte auch jemanden, der sie trösten würde. Aber sie war die Ältere und sie durfte ihren Bruder nicht noch mehr erschrecken. »Ich weiß es nicht«, antwortete sie leise. »Es sah eher aus wie ein Junge. Aber ich habe ihn ja nur ganz kurz gesehen.« Und nach einer Weile setzte sie hinzu: »Auf jeden Fall war es ein ziemlich komisches Kind. Es hatte ganz altertümliche Sachen an, wie aus einem Mittelalterfilm.« Doch sie verriet ihrem Bruder nicht, was noch viel seltsamer gewesen war: Vorhin, als die kleine Gestalt sie durch die verregnete Scheibe angestarrt hatte, war das Zimmer für eine Sekunde vom Blitzlicht erhellt worden. Dabei hatten die Augen des Kindes aufgeleuchtet wie die einer Katze.

Böses Erwachen

    » AUFSTEHEN ! AVANTI ! « Ein energisches Händeklatschen ertönte, dann wurde der Vorhang mit einem Ruck aufgerissen. Kristina blinzelte. Im ersten Augenblick wusste sie nicht, wo sie war. Erst als sie den goldgrünen Betthimmel über sich sah, fiel ihr alles wieder ein: Venedig, das gruselige Weihnachtsfest, das Gewitter und das Kind am Fenster. Sie fuhr hoch – und sah ihre Urgroßmutter am Bett stehen. Natürlich trug Nonna auch heute ein violettes Kleid – und darüber eine rosa Schürze. »Zieht euch an, das Frühstück wartet. Und danach könnt ihr gleich mit der Arbeit anfangen.«
    Kristina blinzelte verdutzt. »Arbeit?«
    »Ma certo!«, antwortete Nonna. »Aber sicher! Wenn ich euch schon eine Woche lang durchfüttere, dann könnt ihr ruhig auch etwas dafür tun. Sara ist schon unten. Ein Zimmer im ersten Stock soll leer geräumt und neu gestrichen werden, es wird ein neues Hotelzimmer. Nächste Woche kommen wieder Touristen, bis dahin muss es fertig sein.«
    Kristina verstand immer noch nur Bahnhof. »Es sind doch Weihnachtsferien! Und wir sind deine Gäste – du kannst uns doch nicht arbeiten lassen.«
    »Gäste? Ihr seid Familie!«, antwortete Nonna trocken. »Aber natürlich kann ich euch nicht zwingen. Allerdings solltet ihr wissen, dass es ohne Arbeit kein Mittagessen gibt. Und an eurer Stelle würde ich schnell aufstehen. Frühstück gibt es nämlich nur bis acht Uhr.« Sie tippte mahnend auf ihre kleine silberne Armbanduhr und wieselte aus dem Zimmer, bevor Kristina auch nur Piep sagen konnte. Aber ihr war der Mund ohnehin offen stehen geblieben. Fassungslos ließ sie sich in die Kissen zurückfallen und schloss die Augen. Jetzt wusste sie es ganz sicher: Sie musste in einem Albtraum gefangen sein. Neben ihr ertönte unter der Bettdecke ein dumpfes, verzweifeltes Stöhnen. Jans Blondschopf wühlte sich aus dem Deckenberg. »Nonna spinnt ja wohl!«, beschwerte er sich. »Wir sind doch nicht ihre Sklaven! Die soll ihr blödes Zimmer doch selber einrichten.«
    Es war komisch, normalerweise waren Jan und Kristina wie Feuer und Silvesterknaller. Kamen sie sich zu nahe, flogen die Funken. Aber seit sie gestern in Venedig angekommen waren, waren sie plötzlich ständig einer Meinung.
    Jan schlüpfte aus dem Bett und sprang
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