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Landkarten des Lebens

Landkarten des Lebens

Titel: Landkarten des Lebens
Autoren: Rainer Gundula u Waelde Gause
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musste, dass Laban ihn erst einmal betrog, indem er ihm Rahel nicht schon nach den ersten sieben Jahren zur Frau gab, sondern ihn zunächst mit deren älterer Schwester Lea verheiratete. Jakob bezahlte also für den Betrug, den er begangen hatte, indem er selbst mehr als einmal betrogen wurde. Viele Jahre später kehrte er mit seiner Familie nach Kanaan zurück. Auf dem Weg dorthin begegnete er Gott in Person eines ihn angreifenden Mannes, mit dem er eine ganze Nacht lang rang und den er schließlich besiegte. Von ihm erhielt er den Namen Israel. Zurück in Kanaan versöhnte er sich mit seinem Bruder Esau. Und seine zwölf Söhne wurden schließlich die Väter der zwölf Stämme Israels.
    Jakob durfte also den Weg nicht gehen, den er sich gewünscht hatte und auf dem er sich mehr als einmal schon befunden zu haben glaubte. Und er lernte viel daraus, dass er von seinem ursprünglichen Weg abwich: Er erlangte Kenntnisse über eine unbekannte Kultur und völlig ein anderes Leben, nämlich das bei seinem Onkel. Er lernte, Verantwortung zu übernehmen. Er lernte, für etwas zu kämpfen und diesen Kampf nicht aufzugeben. 15 Jahre zu arbeiten, um eine ganz bestimmte Frau heiraten zu dürfen – das ist eine Heldentat. Er lernte, selbstständig zu werden. Er wurde erwachsen. Etwas, das ihm am Rockzipfel seiner Mutter hängend, sicherlich nicht so gut gelungen wäre.
    Ich bin der tiefen Überzeugung, dass Menschen wachsen, wenn sie den von ihrer Tradition und ihrer Familie vorgegebenen Weg verlassen – denn dann emanzipieren sie sich von den Ansprüchen und Erwartungen ihrer Eltern, entwickeln ihren eigenen Willen und finden einen ganz neuen Weg für sich selbst. Das können sie aber nur, wenn sie ihren eigenen Spuren folgen, sprich: sich mit den Wegen beschäftigen, die sie früher gegangen sind.
Gott ist mit Ihnen auf allen Wegen
    Wenn Sie sich mit Ihren eigenen biografischen Wegen befassen, indem Sie diese Wege noch einmal gehen – sei es, indem Sie die Wendungen noch einmal nachvollziehen, die Ihr Leben genommen hat oder indem Sie tatsächlich die alten Wege zu Ihrer ehemaligen Schule, zu Ihrem Ausbildungsplatz, zu Ihrer ersten Arbeitsstelle noch einmal beschreiten – was verbinden Sie damit? Welche Gefühle entstehen dann in Ihnen? Was überrascht Sie? Was gibt Ihnen Sicherheit? Trauern Sie längst vergangenen Zeiten nach? Oder sind Sie froh, dass Ihre Vergangenheit auch tatsächlich hinter Ihnen liegt?
    Es gibt einen Weg, den gehen viele Menschen ganz bewusst, um sich selbst und auch Gott zu begegnen – ich meine den Jakobsweg. Viel wurde darüber geschrieben und berichtet, eines der besten Bücher über den großen Pilgerweg hat Hape Kerkeling verfasst. Wen er alles auf dem Weg getroffen hat und wie er sich selbst erlebt und empfunden hat, darüber schreibt er ausführlich. Über seine Gottesbegegnung allerdings, die er auf diesem Weg sehr wohl auch hatte, schweigt er sich aus. Ich glaube, das hat vielen Lesern an diesem Buch am besten gefallen. Ich erzähle Ihnen auch gleich, warum.
    Zu Beginn meines Halljahres reisten meine Frau Ilona und ich mit unseren Mitarbeitern für ein paar Tage nach Schottland. Diese Reise sollte unseren Dank für unsere Mitarbeiter ausdrücken, die gemeinsam mit uns Tag für Tag arbeiten und unsere Kunden so hervorragend bedienen. Wir wollten in der Community von Northumbria ein paar Tage Ruhe und innere Einkehr suchen. Einer dieser Tage ist mir sehr eindrücklich in Erinnerung, denn an ihm gingen wir einen ganz besonderen Weg: Wir liefen bei Ebbe durch das Watt von der Küste hinüber zu einer vorgelagerten Insel – nach Holy Island, wo der iro-schottische Mönch Aidan gelebt und gewirkt hat und wo auch heute noch die Ruinen des Klosters stehen, das er gegründet hat. Wir hatten vorher vereinbart, dass wir diesen Weg schweigend zurücklegen wollten. Und so geschah es dann auch. Wir suchten uns still unseren Weg durch das Watt, jeder für sich. Und das war gar nicht so leicht, denn die Priele und Schlammlöcher sind auch bei Ebbe da, und wir mussten unseren Weg durch sie hindurch finden und gehen. Dass wir alle unterschiedliche Wege gegangen waren, konnten wir, zurück auf dem Festland, leicht sehen: Der eine hatte Schlammspritzer und nasse Hosen bis übers Knie, der andere sah so sauber aus, als seien seine Hosen gerade frisch aus der Waschmaschine gekommen. Ganz erstaunlich fand ich, dass wir alle aus unserem Schweigen nur sehr langsam wieder herausfanden. Wir tauschten uns erst spät
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