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Landkarten des Lebens

Landkarten des Lebens

Titel: Landkarten des Lebens
Autoren: Rainer Gundula u Waelde Gause
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am Abend über das aus, was uns während unserer Wanderung bewegt hat. Und manche von uns sagten auch gar nichts darüber. Sie hüteten diese Erfahrung wie einen Schatz – wie Hape Kerkeling. Ich bin mir sicher: Wer seinen Weg selbst sucht und ihn geht, der begegnet nicht nur sich selbst, sondern noch viel mehr: Er findet Gott in all seiner Unergründlichkeit. Dazu muss man nicht unbedingt den Jakobsweg gehen. Man kann jeden Weg zu einem Pilgerweg machen.
Im Dialog mit unserem Schöpfer
    Im Winter waren Ilona und ich bei Bekannten zum Kaffee eingeladen, gar nicht weit von unserem Wohnort entfernt. Gemeinsam mit ihnen machten wir anschließend einen Spaziergang in einem wunderschönen Tal, das wir – obwohl es quasi direkt in unserer Nachbarschaft liegt – noch gar nicht kannten. Ich erinnere mich an dieses Tal, als wäre ich gerade gestern dort gewesen: Im Talgrund fließt ein Bach, links und rechts zieht sich ein wunderschöner Laubwald die Hänge hinauf. Es ist ein Ort voller Abgeschiedenheit, Frieden und Ruhe. Quer über dem kleinen, von Gras und Wiesenblumen fast überwachsenen Weg, der durch das Tal führt, lagen hier und dort Baumstämme. Wir kletterten darüber und setzen unseren Weg fort – aber an jedem Baumstamm überlegte ich, ob wir ihn problemlos überwinden könnten oder ob es nicht vielleicht besser sei, ihn aus dem Weg zu räumen.
    Baumstämme auf unseren Wegen – als wir diesen Wiesenpfad entlangliefen, musste ich an einen Menschen denken, der einmal mein bester Freund war. Wir haben uns viele Jahre gekannt und in guten wie in stürmischen Zeiten einander beigestanden, auch unsere Familien – er lebte mit seiner Frau und seinen beiden Kindern zusammen – hatten sich gut verstanden. Doch dann ging die Ehe meines Freundes und seiner Frau durch eine tiefe Krise. Die beiden trennten sich. Mein Freund zog sich danach zurück. Auch von mir. Unsere Beziehung geriet zu einer Einbahnstraße. Ich meldete mich immer wieder bei ihm, besuchte ihn, sprach mit ihm, doch irgendwann merkte ich: Es kommt ja gar nichts mehr zurück. Sämtliche Kontaktversuche gingen von mir aus. Ich verlor die Motivation und wollte ihm nicht länger hinterherlaufen. Unsere Freundschaft schlief ein. Damals war ich sehr verletzt, heute denke ich mir: Mein Freund hat das Scheitern seiner Ehe als persönliches Versagen empfunden und schämte sich dafür. Diese gescheiterte Ehe oder vielmehr seine Scham lag wie ein Baumstamm über seinem und meinem gemeinsamen Lebensweg. Ich versuchte immer und immer wieder, über diesen Baumstamm hinwegzuklettern oder ihn aus dem Weg zu räumen, aber alleine wollte mir das einfach nicht gelingen. Wie auch – es war ja sein Baumstamm, der uns da im Weg lag.
    Unter den Briefen, die ich zu Beginn meines persönlichen Halljahres an Freunde und Familienmitglieder verschickt hatte, war auch einer an diesen Freund. Ich wollte nichts unversucht lassen, diesen Baumstamm doch noch aus dem Weg zu schaffen. Doch der Brief an ihn kam nach ein paar Tagen mit dem Vermerk „Empfänger unbekannt“ zurück. Ich rief die Ex-Frau meines Freundes an, um zu erfahren, wo er nun lebte. Sie erzählte mir, dass er umgezogen sei und gab mir seine aktuelle Adresse. Ich schickte meinen Brief also dorthin und mein Freund rief mich ganz begeistert an. Er wolle mich unbedingt bald sehen und er würde wieder heiraten. Natürlich freute ich mich für ihn und sprach ihm meine Glückwünsche aus. Aus beruflichen Gründen müsse er oft an meinem Wohnort vorbeifahren, so erzählte er mir noch, und versprach mir, das nächste Mal anzuhalten und mich zu besuchen. Auf diesen Besuch wartete ich fast ein Jahr vergeblich.
    Als ich dann die Einladungen für das Fest zu meinem 50. Geburtstag verschickte, überlegte ich lange, ob ich ihn auch einladen sollte – und entschied mich dafür. Er rief mich wenige Tage, nachdem er die Einladung erhalten hatte, an, ich konnte an seiner Stimme hören, wie sehr er sich über die Einladung freute. Er sagte mir zu und ich buchte ein Zimmer für ihn. Am Morgen meines 50. Geburtstages rief er wieder an: Er könne leider nicht mit mir feiern, etwas Wichtiges sei ihm dazwischengekommen. Mein Freund hatte zum wiederholten Mal sein Wort nicht gehalten und ich fühlte mich wieder genauso verletzt wie damals, als er nach dem Scheitern seiner ersten Ehe einfach abtauchte. Aber ich stellte auch fest, dass sich meine Haltung ihm gegenüber verändert hatte: Sicher, er war einmal mein bester Freund gewesen. Aber
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